Die psychotische Gesellschaft

Wie wir Angst und Ohnmacht überwinden

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Erscheinungstermin 23.03.2019 | Archivierungsdatum 20.08.2019

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Zum Inhalt

Angesichts einer immer verrückter werdenden Gegenwart ist es an der Zeit, uns wieder an unsere Würde, unsere Träume und unsere Verantwortung für unser eigenes und gemeinsames Leben zu erinnern. »Die psychotische Gesellschaft« ist eine hellsichtige Analyse unserer ökonomisierten Gesellschaft und zugleich ein leidenschaftliches Plädoyer für einen anderen Umgang mit Natur, Menschsein und Liebe. Selbstmordattentäter, Geflüchtete und populistische Präsidenten. Und dann spielt auch noch das Klima verrückt. Dieser krisenhafte Zustand hat viele Gründe. Die Ökonomisierung der Welt hat sich im 21. Jahrhundert fast vollendet. Sie betrifft schon lange nicht mehr nur das Sichtbare, sondern reicht tief in das Unsichtbare hinein: in das Soziale, in den Umgang mit uns selbst, den anderen und der Welt. Der Selbstwert ist zum Marktwert geworden, die Grenzen zwischen Ich und Welt verschwimmen. Das Resultat dieser kollektiven Identitätskrise ist eine psychotische Gesellschaft, deren Mitglieder weder wissen, wer sie sind, noch was sie sollen, und deshalb unfähig sind, mit sich und miteinander bewusst, wertschätzend und angemessen umzugehen. Doch jede Krise trägt in sich die Möglichkeit einer neuen Ordnung, sie ist eine Chance, unser Verhältnis zu uns, den Anderen und der Welt neu zu erzählen.

Angesichts einer immer verrückter werdenden Gegenwart ist es an der Zeit, uns wieder an unsere Würde, unsere Träume und unsere Verantwortung für unser eigenes und gemeinsames Leben zu erinnern. »Die...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783608502336
PREIS 20,00 € (EUR)

Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Verhaltensoriginelle Staatsoberhäupter und Mega-Konzerne, die keine Steuern zahlen – unsere Gegenwart scheint gerade jede Dystopie in den Schatten zu stellen. Doch nationalistische Tendenzen und das Zurückschrauben von Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Menschen sind längst keine utopischen Spielereien mehr. Ariadne von Schirach vergleicht den Zustand allgemeiner Auflösung unserer Gesellschaft (nach Nicholas Luhmann) mit einer akuten Psychose aufgrund einer Funktionsstörung. Ein Psychotiker ist sich selbst fremd, verliert die Unterscheidung zwischen seinem Ich und der übrigen Welt. Vorausschauendes Denken und Impulskontrolle kommen dem Erkrankten abhanden. Auf gesellschaftlicher Ebene vergleicht die Autorin die Erkrankung mit dem derzeitigen postfaktischen Zeitalter, in dem Zweifel an der Wirklichkeit und kollektive Wahnideen den gesunden Menschenverstand abgelöst haben.

Das Bild eines Hauses, das unbewohnbar geworden ist, trägt von Schirachs kluge Analyse durch das gesamte Buch hindurch. Das Haus steht im Gegensatz zum öffentlichen Raum für Heimat und Geborgenheit, es vermittelt seinen Bewohnern Identität. Die Tradition, in der wir bauen, ob wir unsere Häuser einzäunen oder einen Blick nach innen gestatten, charakterisiert unsere Kultur. Die Trennung von privat und öffentlich ging bereits in der Antike zu Lasten von Frauen, Sklaven und Fremden, mahnt die Autorin. In einer ehemals offenen westlichen Kultur scheint aktuell die Abgrenzung zwischen innen/außen, fremd/vertraut, erlaubt/verboten verschoben. Mehrdeutiges, Widersprüchliches oder Veränderbares scheint keinen Platz mehr zu haben. „Wer für das Eigene keinen Sinn hat, kann das Fremde nicht begreifen.“ Dass jede Kultur hinterfragbar und veränderbar ist, geriet in der derzeitigen Wertekrise aus dem Blick. Eine Welt, die in einigen Bereichen unbewohnbar geworden ist, und Häuser, die ihre Bewohner nicht mehr schützen, stehen für eine kollektive Identitätskrise.

Hochinteressant fand ich von Schirachs Beobachtung, der menschliche Focus sei beschränkt auf nur ein Objekt/Thema. Unsere Fähigkeit zur Fokussierung, unsere Wahrnehmungsfähigkeit und Urteilsfähigkeit nehmen ständig ab, während die Gleichzeitigkeit von Ereignissen in den Sozialen Medien in einer globalisierten Welt wachsende Anforderungen stellen. Ein beschränkter Fokus des typisch westlichen Individualisten könnte wachsende Intoleranz erklären und seine mangelnde Fähigkeit zur Einfühlung in andere. Die Ablehnung, ein Fremder könnte „so sein wie ich“ führt direkt zur Forderung nach einer geschlossenen Gesellschaft, nach patriarchalen, frauenfeindlichen und homophoben Strukturen.

Von Schirach nennt eine ganze Liste von Ursachen, die in unsere virtuelle Scheinwelt geführt haben, vom Neoliberalismus (Reichtum für wenige, Abwälzung von Risiken und gesellschaftlichen Problemen auf das Individuum, ein der Wirtschaft gehorchender Staat, Verbrauch/Verkauf von Natur als Lebensgrundlage), über die komplette Vermessung und Kontrolle unserer Welt, das Outsourcen von Beziehung an bezahlte Kräfte, den Selbstoptimierungs- und Performancewahn des „Quantified Self“, die Gleichsetzung von Selbstwert und Marktwert und schließlich die Instrumentalisierung von anderen Menschen, die selbst soziale Beziehungen zur Ware macht.

Nicht alle fiktiven Schicksale haben mich interessiert, die die Autorin zur Illustrierung ihres Welten-Modells im buch auftreten lässt. Die Etikettierung einer ganzen Gesellschaft mit einer psychiatrischen Diagnose als süffiger Schlagzeile finde ich durchaus fragwürdig; denn ist das nicht genau jenes Werkzeug, das sich an Menschen "mit beschränktem Fokus" wendet?

Die Frage, wie unser Horizont erweitert, unsere Urteilskraft gestärkt und unser Blickwinkel aus dem eigenen Haus wieder auf die „Polis“ gerichtet werden kann, muss jeder Leser für sich beantworten. Von Schirach liefert das Material dazu und zeigt sich mit klug gewählter, sehr aktueller Grundlagenliteratur als belesene Ratgeberin.

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Ein kluges und intelligentes Buch.
Die Autorin versteht es sehr gut, Zusammenhänge zu erläutern, und sie kann so erklären, dass ich es verstehe. So habe ich zum ersten Mal wirklich verstanden, was der Unterschied zwischen Psychose und Schizophrenie ist. Die Krankheitsbilder auf unsere gegenwärtige Gesellschaft zu übertragen, ist eine interessante und ziemlich nachvollziehbare Perspektive.
Kernsatz für mich: „Unser Heimatverlust ist innerlich“.
Der Begriff „Haus“ als Synonym sollte aus Sicht der Autorin vereinfachen, hat es für mich aber – besonders im 1. Teil - etwas komplizierter gemacht, weil sie ohnehin nahezu jedes Mal erklärt, was sie nun gerade damit meint.

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Wovor haben Sie Angst? Sind es eher die Flüchtlinge oder die Klimakatastrophe? Der Verlust der Privatsphäre in der digitalen Welt oder die Überwachung durch die NSA? Vor Selbstmordattentätern, Amokläufern oder Gotteskriegern? Sicher ist: In der Gesellschaft machen sich Unbehagen, Angst und Ohnmacht breit, begleitet von einem Gefühl der Dringlichkeit, Sorge und Verzweiflung. Und viele Ängste sind berechtigt, denn die Folgen der Katastrophen sind deutlich: das Erstarken nationalistischer Kräfte, die Verachtung für alle, die angeblich nicht dazugehören, die Suche nach Abgrenzung und eigener Identität. Ariadne von Schirach stellt deshalb fest: Auf vielen zunächst ganz unterschiedlich scheinenden Ebenen stellen sich Fragen danach, wer wir sind, wer wir sein wollen und wie wir gut miteinander und mit allem, was ebenfalls ist, zusammenleben können. Doch bis wir sie beantworten können, erinnert diese allgemeine Auflösung, die zugleich eine Auflösung des Allgemeinen ist, stark an das Krankheitsbild einer Psychose. Eine Psychose, das ist eine Erkrankung des Geistes, ein innerer Ausnahmezustand. So lange er dauert, verliert der Betroffene den Kontakt zur Realität. Die Grenzen zwischen Ich und Welt verschwimmen und die eigene Identität wird dadurch ebenso instabil wie total.
Im Kern jeder psychotischen Erfahrung steht ein umfassender Realitätsverlust. Dazu kommen Symptome wie Erregungszustände, aber auch Wahnideen und mangelnde Krankheitseinsicht. «Der psychotische Mensch hat seinen Geist und sein Urteilsvermögen verloren, sein Leben ist ihm fremd geworden», schreibt Ariadne von Schirach. «Begleitet wird dieser Selbst- und Weltverlust von Angst angesichts der inneren Auflösung und Ohnmacht angesichts der Unfähigkeit, selbst etwas daran zu ändern.» Diese Sätze beschreiben recht genau, was auf gesellschaftlicher Ebene im postfaktischen Zeitalter passiert: ein fundamentaler Zweifel an der Wirklichkeit ebenso wie an ihrer medialen Vermittlung. Was ist wahr, was ist falsch, und wem soll man noch glauben? Es gibt immer mehr News, die Interesse und Empörung schnell entzünden und noch schneller wieder abflammen lassen. «Diese kollektiven Erregungszustände sind ebenso allgegenwärtig wie folgenlos, weil alles, was sie zum Inhalt haben, angesichts stetig nachdrängender News keinen Raum mehr hat, aufgenommen und eingeordnet, geschweige denn irgendwie verarbeitet zu werden.» Deshalb haben es auch auf kollektiver Ebene Wahnideen leicht, sich auszubreiten, von ominösen Verschwörungstheorien über abstruse, oft nationalistisch, rassistisch oder sexistisch Privatideologien bis hin zu bösartigen Verleumdungen, die vor allem in den sozialen Netzwerken fast ungebremst verbreitet werden können. Für Ariadne von Schirach ist deshalb klar: Wir leben in einer psychotischen Gesellschaft. Sie belegt ihre Diagnose auf interessante Art und Weise – und weist uns einen schönen, einen poetischen Ausweg aus der Psychose. Ein spannendes Buch!

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