Amerika

Roman

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Erscheinungstermin 30.08.2018 | Archivierungsdatum 07.03.2019

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Zum Inhalt

In Rillingsbach geht es gemächlich zu. Das weiß keiner besser als Wirtin Martha, die im örtlichen Gasthaus das Zepter fest in der Hand hält. Doch als sich ein junger Chronist unter die Stammgäste mischt und die Ordnung im Dorf auf den Kopf stellt, drängen tief vergrabene Erinnerungen an die Oberfläche, die bis zur amerikanischen Besatzungszeit zurückreichen. Im Schippen, dem einzigen Gasthaus im schwäbischen Rillingsbach, hocken sie beisammen und lassen sich von Boiznerin Martha die Krüge füllen. Neben Martha, die den heruntergewirtschafteten Familienbetrieb mit Grazie dem Untergang entgegenführt, ist da noch Hilde, die Wilde, die einst auszog, um die Männer zu studieren. Außerdem Alfred mit seiner Leidenschaft für tote amerikanische Politiker und Frieder, den zwar keiner mag, mit dem aber jeder gern gesehen wird. An diesem Tag geht alles anders zu, denn ein junger Chronist sitzt mit den Alten im Schippen. Im gleichen Maß, wie das Misstrauen gegenüber dem Eindringling schwindet, brechen Erinnerungen auf und nehmen im Gastraum Gestalt an. Übles tritt zutage, Verdecktes wird enthüllt, und die sonst so friedlichen Gemüter geraten in Rage. Und der Chronist? Der sitzt mit am Tisch und notiert, was notiert werden muss.

In Rillingsbach geht es gemächlich zu. Das weiß keiner besser als Wirtin Martha, die im örtlichen Gasthaus das Zepter fest in der Hand hält. Doch als sich ein junger Chronist unter die Stammgäste...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783608962611
PREIS 20,00 € (EUR)
SEITEN 208

Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Das es kleine Dörfer gibt, die am aussterben sind, wo die Jugend verschwindet und wo es keine Zukunft mehr gibt, ist nicht so ungewöhnlich. Sehr wohl aber, dass dann ein Chronist ins Dorf kommt.

In dem fiktiven Dorf Rillingsbach, das vermutlich in Baden-Württemberg ist das so. Der Chronist sucht nach Tendenzen und Muster und will eine Geschichtserinnerung schaffen. Dazu befragt er die dagebliebenen, meist alten Dorfbewohner. Martha, Alfred, Frieder, Hilde.
Der Chronsiut selbst hat keinen Namen, es geht auch nicht um ihn sondern um die Dorfbewohner.
Sie gehen gedanklich zurück in die Zeit nach dem Krieg, als der gewalttätige Erwin viel Ärger machte und schließlich tot aufgefunden wurde. Mord oder Selbstmord? Marthas Vater jedenfalls reinigt andernstags auffällig sein Gewehr.
Erwin schwangere Frau Elisabeth bleibt im Dorf. Ihre Tochter Hilde wird später ein wildes Leben führen, aber auch ein Buch schreiben.
Auch für Alfred und seine Frau Erna gab es einmal etwas anderes als das Dorf. Das war eine Reise in die USA, die ausführlich geschildert wird. Die USA war Alfreds Leidenschaft und doch konnte er nicht auswandern sondern blieb.
Frieder hingegen hat eine fatalistische Einstellung, die mit dem möglichen Untergang des Dorfes einhergeht.
Überraschungen und Geheimnisse bleiben.

Jede Menge Tristesse könnte man annehmen, aber Kai Wieland mildert das mit leichter Ironie beim Erzählen ab.

Trotz vieler guter Ansätze überzeugt mich der Roman letztlich nicht ganz. Vielleicht will der Autor bei dem großen Aufwand zu wenig, wie auch der Chronist. Der wertet nicht und er reflektiert nicht. Er stellt am Ende nur zu wenig Substanz fest. Als Leser folgt man ihm und damit bleibt einfach zu wenig.

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⭐️⭐️⭐️-⭐️⭐️⭐️⭐️ Ein schwäbisches Provinznest. Rillingsbach - bestehend aus zwei Straßen, eine davon eine Sackgasse. Ein nicht näher benannter, junger Chronist sitzt mit vier Rillingsbacher Urgesteinen in der heruntergekommenen Dorfkneipe und lässt sich von der Nachkriegszeit in der amerikanischen Besatzungszone erzählen.
Da ist Martha, die alte Jungfer, die nie das Dorf verlassen hat und nun die Dorfkneipe führt. Hilde, die Rillingsbach in der wilden Zeit der 60er und 70er den Rücken kehrte, auf der Flucht vor einem dunklen Familiengeheimnis, das bis heute eher viel diskutiertes Dorfgeheimnis ist. Wilhelm, stur und leicht reizbar, dessen verehrter Vater SS Oberscharführer war und Alfred, “gewöhnlich und zu nichts berufen”, mit einer Passion für die USA und tote, historische Persönlichkeiten.
Schnell wird klar - jeder einzelne hat seine eigene Version und Interpretation der Ereignisse. Und auch das Nicht-Gesagte ist hier fester Baustein der doch recht subjektiven Dorfchronik. Ein Roman über die große Plastizität von Erinnerung.

Die große Stärke dieses Buches war für mich persönlich weniger der Plot, als Wielands besondere Sprachmelodie. Ein ganz eigener Sound, der an Nachkriegsliteratur erinnert, aber eben durch die Feder eines jungen, schwäbischen Cleverles. Geschrieben mit viel Witz und feiner Ironie ist dieses Buch lesenswert und lässt mich gespannt und mit großer Lust auf mehr von Kai Wieland zurück.

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Aufmerksam geworden bin ich auf "Amerika" anhand des Titels, der wenn man sich den Klappentext anschaut ganz im Widerspruch zu dem Schauplatz des Buches steht. "Amerika" spielt nämlich keineswegs in den USA oder einer anderen amerikanischen Region, sondern in einem Ort, der gar nicht so weit weg ist von meiner eigenen Heimat. Das gesamte Buch spielt sich in einem kleinen fiktiven Dorf im Schwäbischen namens Rillingsbach ab, konkreter einem kleinen Dorf in der Nähe von Murrhardt (bei Heilbronn). Mich hat es gereizt mal ein Buch aus der (weiteren) eigenen Region zu lesen und außerdem war ich auch neugierig was es mit dem Titel auf sich hat.


Das Buch ähnelt im Aufbau ein bisschen einem Kammerspiel, der Erzähler ist ein junger Mann, der im ganzen Buch nur als "der Chronist" bezeichnet wird. Man erfährt nicht viel über ihn (nur dass er in der Dorfkneipe Fanta trinkt und gerne auf Youtube unterwegs ist). Er möchte eine Dorfchronik über Rillingsbach schreiben, wozu und welcher Art erfährt der Leser nie. Deswegen sitzt der Chronist in der einzigen Dorfkneipe zusammen mit Martha, der Wirtin, Heide (der jüngsten Stammkundin, die aber vermutlich auch schon eher im Rentenalter ist) und Frieder und Alfred, 2 älteren Herren, die sich selten ganz grün sind. Die Dorfkneipe war früher (vor Kriegsende) mal ein gut gehendes Hotel, das Marthas Familie gehörte, inzwischen ist sie aber nur noch von den wenigen Stammgästen des Dorfes bevölkert und auch Rillingsbach selbst ist mehr oder weniger tot.

So erzählen die Dorfbewohner in wechselnden Episoden aus ihrer eigenen Geschichte und die ihrer Familie und daraus entspinnt sich mit der Zeit ein immer größeres Bild, von Rillingsbach, von den einzelnen Personen, von Nachkriegsdeutschland und von der unheilvollen Geschichte rund um den Tod von Hildes Vater, der im Dorf seit Jahrzehnten zu einem emotionalen Schwelbrand führte. 
Was aber hat Amerika nun mit Rillingsbach zu tun? Die USA sind auf mehrere Arten und Weise für den Ort und die Geschichte einzelner Personen wichtig, nach dem Krieg als Besatzungsmacht und für Alfred als eine Art große Sehnsucht, die er sich auch erfüllt. Als einziger Rillingsbacher wohl schafft er den Sprung über den großen Teich, allerdings nur zu einer eher skurrilen Rundreise zu den Schauplätzen an denen berühmte Amerikaner ermordert wurden (z.B. Martin Luther King, Bonnie & Clyde, John F. und Bobby Kennedy), die statt eines Traumurlaubs eher zu einer Zerreißprobe für seine Ehe wird...

Der Schreibstil des Buches ist eher nüchtern und distanziert, man blickt von außen durch die betont neutrale Brille des Chronisten auf die Lebensgeschichten (wobei eine leise Ironie immer spürbar ist) und das Buch will offenbar sehr viel und sehr viel auf einmal. Es geht um persönliche Träume, unverwirklichte Lebensziele, Versuche der Freiheit und Stagnation der einzelnen Charaktere, gleichzeitig um die (Nicht-) - Aufarbeitung der Nazi-Zeit, um Entnazifizierungsmaßnahmen, um ambivalente Einstellungen gegenüber der Amerikaner, um schwelende Konflikte und sogar um einen ungelösten Mord. Zunächst hatte ich das Gefühl mit dem Buch doch etwas zu fremdeln, aber im Nachhinein hat es doch unheimlich viele Themen über die man nachdenken kann und irgendwie doch auch alle untergebracht ohne dass es unglaubwürdig wirken würde.
Von dem her fand ich das Lesen des Buches sehr bereichernd. Eine kleine Kritik, die ich habe ist aber, dass aus welchen Gründen auch immer die Frauenfiguren Martha und Hilde in dem Buch für mich deutlich lebendiger rüberkamen, während Frieder und Alfred irgendwie schwer zu fassen blieben. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich mich mit den Frauenfiguren natürlich mehr identifizieren konnte.

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Erwin war traumatisiert aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt, würde man aus heutiger Sicht sagen. 1949 im fiktiven (damals amerikanisch besetzten) Rillingsbach sahen die Dorfbewohner den großen, kräftigen Kerl schlicht als durchgeknallt an und als eine Gefahr für andere Menschen. Als Erwin ein Kind bedroht, findet man ihn anschließend tot im Schuppen. Die alarmierten Polizisten waren gerade erst von den amerikanischen Besatzern in ihr Amt eingesetzt worden und reichlich ahnungslos, wie in einem ungeklärten Todesfall zu ermitteln ist. Jahre später wird Erwins Tochter bei den Behörden mit ihrem Wiederaufnahmeantrag abblitzen. Geschichten wie Erwins erzählt man sich in Rillingsbach im „Schippen“, wo Martha bedient, die damals schon dabei war. Ein Chronist saugt die Dorfgeschichten auf und notiert sie. Von ihm wissen die Leser lange nur, dass er zur jüngeren YouTube-Generation gehört. Ein Chronist kann sich raushalten, sich mit der präsentierten Fassade und mit den Lebenslügen der Anwesenden zufriedengeben.

Der Fremde erfährt, wie Frieders Vater, der Oberscharführer, nach dem Krieg von den Amis gedrängt wurde, „freiwillig“ die Dorfbücherei zu entnazifizieren, wie Lehrer Mangelhardt noch schnell die Werke des einzigen (NS-)Autors aus dem Dorf vor der Vernichtung gerettet und einen verdächtigen Autor in die Schule eingeladen haben soll. Mangelhardt hätte in den letzten Kriegstagen noch Kinder in die Schlacht geschickt, sagt man, wenn ihm nicht eine vernünftigere Person entgegengetreten wäre. Die Amis bringen Comics und amerikanische Romane in den Ort. Für Elisabeth, Hildes Mutter, hält das Amerika-Haus in der nahen Stadt einen sicheren Job bereit und ermöglicht ihr, sich ihrem Laster Literatur hinzugeben. Als Hilde sich immer weiter von ihrer Mutter distanziert, lässt sich nicht mehr übersehen, dass die Kriegs- und die Nachkriegsgeneration längst miteinander hätten reden müssten. Alfred wiederum hat einen Narren am Reiseland USA gefressen und bereist mit Erna dort alle Orte, an denen in den 60ern ein Prominenter ermordet wurde.

Kai Wieland spinnt seinen Roman um das Thema Erinnern und zwingt mit klug gewählten Zitaten an jedem Kapitelanfang zum Nachdenken, wie zuverlässig unsere eigenen Erinnerungen wohl sind. Mit seinem Chronisten schafft er Distanz, grenzt sich als Autor aber auch ab von der Beziehungsebene, auf der in Rillingsbachs Familien eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hätte stattfinden müssen. Schließlich sind dort nach 1945 Schüler einer ganzen Generation von einem Alt-Nazi unterrichtet worden, ohne dass es jemanden geschert hätte. Im „Schippen“ führen Männer das Wort, so dass es nicht verwundert, wenn Elisabeths, Hildes und Marthas Sicht der Dinge vom Chronisten nur kurz abgehandelt werden. Diese Knappheit fand ich etwas unbefriedigend. Ihm „mangele es an Phantasie“, stellt er zum Ende seines Manuskripts fest. Als die Handlung sich den 60ern und 70ern und damit den Enkeln der Kriegs-Generation näherte, konnte ich mich sehr viel leichter als zu Beginn des Romans in die Figuren hineinversetzen. Ob der Chronist doch nicht so neutral ist, wie er vorgibt?

Als unterschätztes Manuskript, das erst durch den Blogbuster-Wettbewerb entdeckt wurde, entfaltet „Amerika“ das Thema Erinnern erst allmählich, jedoch lange nachwirkend.

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