Wer hier eine Gruselgeschichte über ein bösartiges mordendes Kind erwartet hat, wird enttäuscht
Was Leser:innen ab er bekommen, sind bedrückende Einblicke in das Innenleben einer dysfunktionale Familie, und zwar eines jeden Einzelnen.
Lesenswert und außergewöhnlich.

Tom ist Reporter. Er lechzt nach einer Story, die ihm den Durchbruch verschafft. Wie gut, dass ihm der Zufall dabei helfen kann. Er lernt nämlich zufällig eine Frau kennen und die lädt ihn ein, bei ihr zu übernachten. Dazu kommt es nicht. Vor dem Haus herrscht nämlich helle Aufruhr. Ein kleines Mädchen wird vermisst und alle Nachbarn suchen nach ihr. Während gesucht wird, mischt sich Tom unter die Menschen. Als klar ist, dass die Kleine getötet wurde, beginnt sofort eine Welle des Hasses gegen eine Familie. Der Spruch „Es war das Rotzblag aus der Assi Familie“ macht die Runde und Tom wittert eine Exklusivstory. Vielleicht kann er ja die Mörderin überführen und der Polizei bei ihren Ermittlungen helfen?

Alle Betroffenen, also sowohl die Familie der Toten als auch suchende Nachbarn sind sich einig. Lucy war immer schon recht seltsam und zudem wurde sie mit der kleinen Mia gesehen. Schließlich hat sie bereits vor etlichen Jahren einen Jungen aus ihrer Klasse verletzt. Tom möchte die Familie von Lucy schützen und quartiert sie kurzentschlossen in einem stillgelegten Hotel ein. Dass er nur aus Eigennutz handelt, das verrät er nicht.

#KleineSchwächen ist ein Buch, das das typische Gebaren von Klatschreportern zeigt. Sie haben den Mörder bereits gestellt, bevor es überhaupt ein Urteil gibt. Sie bringen das Gerede der Nachbarn ganz exklusiv und hinterfragen nur sehr selten das, was die als Tatsache berichten. Ob die kleine Lucy wirklich das Kind ermordete, es interessiert sie in keiner Weise. #NetGalleyDE

Megan Nolans „Kleine Schwächen“ führt uns in das London der 1990er-Jahre, in eine Sozialbausiedlung und in das fragile Gefüge einer Familie, die täglich um ihr Gleichgewicht ringt. Im Mittelpunkt steht die zehnjährige Lucy, die von ihrer jugendlichen Mutter Carmel, deren alkoholkrankem Bruder Richie, dem arbeitsunfähigen Großvater John und der um Stabilität bemühten Großmutter Rose umgeben ist. Rose ist es auch, die – bis zu ihrem frühen Tod – die eigentliche Mutterrolle für Lucy übernimmt. Zehn Jahre zuvor war die Familie aus Irland geflohen: Carmel wurde mit 17 ungewollt schwanger, und im streng katholisch geprägten Irland jener Zeit war eine Abtreibung unter allen Umständen verboten.
Als Lucys Spielkameradin Mia tot aufgefunden wird, richtet sich der Verdacht erschreckend schnell auf das Mädchen. Die Presse stürzt sich sensationshungrig auf den Fall und der Reporter Tom ist mehr an seiner Karriere interessiert als an Aufklärung. So kommt es, dass ein Kind in Polizeigewahrsam landet – ein weiterer Akt in dem Drama, das Lucys Leben seit ihrer Geburt überschattet.
Der Roman ist in einer realistischen, nüchternen und zugleich tief psychologischen Perspektive erzählt, die eng am Inneren der Figuren entlangführt. Gerade diese stilistische Zurückhaltung macht die Not aller Beteiligten eindringlich spürbar: unausgesprochene Hilferufe, ein Familiensystem am Rand des Zusammenbruchs, eine Gesellschaft, die eher nach Schuldigen als nach Lösungen sucht. Als Leser:in möchte man aufschreien, weil Unterstützung ausbleibt – und weil Vergeltung, wie so oft, nichts heilt.
Eine klare Leseempfehlung für alle, die sich für gesellschaftliche Fragen wie soziale Ungleichheit, Skandalpresse, fragile Familiendynamiken oder für englischsprachige Gegenwartsliteratur mit psychologischem Tiefgang interessieren.

Eine ganz gewöhnliche Familie mit ganz gewöhnlichen kleinen Schwächen

Kleine Schwächen von Megan Nolan ist ein Sozialdrama der besonders intensiven Art. Betrachtet wird eine irischstämmige Familie, die in London lebt.
Ein dreijähriges Mädchen ist tot. Des Mordes verdächtigt wird die 10jährige Schülerin Lucy. Ihre Mutter ist die labile Carmel, deren Bruder Richie ist Alkoholiker, dann gibt es noch deren Eltern John und Rose.
Ein Reporter, der den Fall für seine Zeitung ausschlachten will, spricht mit einigen der Fmilienmitglieder. Hinzu kommen viele Rückblicke, mit denen man die Situation erfasst, in der die Familie lebt. Das Buch ist psycholgisch scharfsinnig, in der Gesamtheit wuchtig. Obwohl relativ kurz, enthält es eine Menge. Beeindruckend, aber auch beklemmend!