Der Tod der Wahrheit

Gedanken zur Kultur der Lüge

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Erscheinungstermin 20.04.2019 | Archivierungsdatum 31.07.2019

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Zum Inhalt

Das postfaktische Zeitalter ist angebrochen. In einer scharfsinnigen, geistreichen Gegenwartsanalyse deckt Michiko Kakutani historische und kulturelle Ursprünge einer Gesellschaft auf, in der die Wahrheit an Bedeutung eingebüßt hat. Vor diesem Hintergrund entlarvt sie Trump als die logische Konsequenz seiner kulturellen Voraussetzungen. Dieses Buch schürft tiefer als die bisherigen Beschreibungen der Ära Trump. Mithilfe von Philosophie und Kulturwissenschaft ergründet die einflussreichste Literaturkritikerin der USA erhellend historische und soziale Fundamente eines gesamtgesellschaftlichen Phänomens, das die modernen Demokratien bedroht. Denn »Fake News« und alternative Fakten sind Symptome eines allgemein vorherrschenden Bedeutsamkeitsverlusts der Wahrheit. Resultierend aus dem Erbe postmoderner Theorien und dem um sich greifenden Narzissmus, den das Internet befeuert, erscheint Trump nunmehr als personengewordener Ausdruck und Symbolfigur des postfaktischen Zeitalters. Ein virtuoses Manifest, das die Macht des Wortes und der Sprache betont, die die moderne Informationskultur gestalten.

Das postfaktische Zeitalter ist angebrochen. In einer scharfsinnigen, geistreichen Gegenwartsanalyse deckt Michiko Kakutani historische und kulturelle Ursprünge einer Gesellschaft auf, in der die...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783608964035
PREIS 20,00 € (EUR)
SEITEN 200

Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Ein wichtiges, hochinteressantes Buch, fabelhaft geschrieben!
Daß Vieles heutzutage gelogen und/oder Fake News ist, war mir ja bekannt. Es hier so zusammengefasst vor Augen geführt zu bekommen, hat mich doch erschüttert.
Neu waren für mich, die teilweise „alten“ Lügen (die Beispiele aus dem vorigen Jahrhundert oder sogar noch früher) – klar, hat es immer schon gegeben, aber heute ist natürlich die schnelle Verbreitung über die (a-)sozialen Medien um ein Vielfaches schneller.
Natürlich ist es ziemlich bedenklich, dass wir Menschen uns so gern belügen lassen – da ist Trump nur die Spitze des Eisbergs, gleich nach vielen Politikern und „Grippeviren“ (=Influenza/cer) kommen schon Studien, von denen wir meistens nicht erfahren, wer sie beauftragt und bezahlt hat. … und so weiter … und so weiter…
Wenn ich jetzt noch wüsste, wie ich flugs erkennen kann, was Wahrheit und was Erfunden ist….

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Die renommierte Kritikerin der New York Times, Michiko Kakutani, befasst sich mit den Warnleuchten (ein Begriff von Margaret Atwood), die die Ära Trump hätten ankündigen können, wenn sich denn jemand für die gesellschaftlichen Entwicklungen interessiert hätte, die ihr vorausgingen. Neben der deprimierenden Auflistung des Istzustands (Im ersten Amtsjahr des amerikanischen Präsidenten wurden z. B. 2140 seiner Behauptungen als Lügen entlarvt) geht sie in ihrer Analyse bis ins Jahr 1949 zurück, als Orwells Utopie bereits scharfsinnig den Verfall der Sprache dokumentierte. Über Stammesdenken, Angst vor Veränderung, Deklassierung ganzer Regionen, die im Hass auf „Fremde“ münden, ist inzwischen ausführlich geschrieben wurden. Auch ich bin noch immer überrascht, wie eine Bevölkerung, die sich in einem dysfunktionalen Staat abgehängt fühlt, ausgerechnet einem betrügerischen Superreichen zum Wahlsieg verhelfen kann, der sich ausschließlich für sein Ego und die Bedürfnisse seiner Klasse interessiert. Neben dem „truce decay“, dem Verfall von Wahrheit und Anstand, listet Kakutani außer den Fake-News die Fake-Wissenschaft, Fake-Geschichte, Fake-Twitter aus russischen Trollfabriken und Fake-Likes durch Bots als Symptome des Werte-Verfalls auf. Die Trump-Wahl wäre eine fatale Mischung aus frustrierten Wählern, einer polarisierenden Gegenkandidatin, Falschmeldungen in sozialen Medien und gigantischen Wahlkampfspenden für Trump gewesen, so Kakutani.

Wie es dazu kommen konnte, dass amerikanische Bürger sich längst resigniert zurückgezogen hatten und sich nicht mehr dafür interessierten, ob Trump lügt oder seiner eigenen Schicht die Taschen füllt, analysiert Kakutani anhand zahlreicher Quellen, die von den 60ern bis in die unmittelbare Gegenwart reichen. Es entsteht das Bild eines tief gespaltenen Staates, in dem Republikaner und Demokraten annehmen, über jeweils eigene Fakten zu verfügen, weil der Respekt gegenüber staatlichen Institutionen und der Wissenschaft verloren gegangen ist. An den Respekt gegenüber Institutionen des demokratischen Staates appellierte bereits 1838 Präsident Lincoln … Vorläufer der postfaktischen Gesellschaft samt ihrer Leugnung der Erderwärmung, der Evolution, des Holocausts, der tatsächlichen Kriminalitätsstatistik, der sexuellen Gewalt, der Gefahr des Zigarettenrauchens, samt einer bedenklichen Errosion der Gewaltenteilung seien die Regierungen Bush und Clinton, die jede eigene Realitäten definierten. Zur Neuschreibung von Fakten zählt die Autorin u. a. die Umdeutung von Geschichte in amerikanischen Filmen und Biografien. Istzustand sei eine Gesellschaft, die zwischen Fakten und Lügen nicht mehr unterscheiden könne und seit der Zeit des Kalten Krieges Naturwissenschaften als ein Narrativ betrachteten, das abgewählt werden kann, wenn einem die Ergebnisse nicht passen.

Als Gründe für die Entwicklung führt die Autorin eine Kultur des Narzissmus an, die sich bereits in den 70ern abzeichnete und seit der Jahrhundertwende durch die sozialen Medien und das Leben in „Silos“ beschleunigt würde, in denen alle Bezugspersonen ähnliche Ansichten vertreten wie man selbst. Der Vollzug zum Ego lässt sich, laut Kakutani, bei zahlreichen Romanautoren verfolgen und gipfelt im Werk Knausgårds. Meinung rangiere seitdem vor Wissen, Gefühl vor Tatsachen und in dieser Wertigkeit spiegele sich Trumps Wahl.

Kakutani entlarvt scharfsichtig Merkmale des Faschismus in Donald Trumps Sprache und weist damit indirekt auf die Verantwortung jedes einzelnen hin – niemand kann nach ihrer Analyse mehr behaupten, nichts bemerkt zu haben. Mit zahlreichen seriösen Quellen warnt sie vor dem manipulativen Umgang mit Sprache, die Unrechts-Regimes mit direkten Lügen stabilisiert („Es gibt keine Rohingya in Myanmar“). Das Zusammenwirken von Auswüchsen moderner Medien (Macht der Algorithmen) mit ihren frustrierten, uninformierten Nutzern als Ursache einer Epoche des Narzissmus und der Respektlosigkeit überzeugt mich in Kakutanis Ausführungen nicht völlig. Wer sich für die Macht der Sprache interessiert, findet in ihrer Streitschrift eine Fülle von Quellen und Anregungen.

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Ohne Wahrheit ist die Demokratie verstümmelt

Der politische und Gesellschaftliche Zustand der westlichen Welt ist in einem Zustand, den man noch vor 10 Jahren nicht erwartet hätte. Lügen und Fake-News dominieren und werden allgemein von einer Mehrheit akzeptiert.
Aufschlussreich der Untertitel dieses Buches: Notes on Falsehood in the Age of Trump

Bemerkenswert, dass die Pulitzerpreisträgerin und ehemals gefürchtete New-York-Times-Literaturkritikerin Michiko Kakutani inzwischen politische Texte schreibt. Sie scheut auch keine Polemik. Es wundert auch nicht, dass es immer wieder auch literarische Verweise und treffsichere Zitate im Text gibt. Man kann sogar sagen, dass Literatur die Wurzeln für Michiko Kakutanis Denken in diesem Buch gab. Es gibt sogar einmal einen ausführlichen Ausflug in die Philosophie, z.B. Hanna Arendt, dem Dekonstruktivismus von Derrida und dem Vorfall um Paul de Man. Den kritischen Ansatz, den Folgen des Dekonstruktivismus mitverantwortlich zu machen, folge ich aber nicht.
Viele andere Zusammenhänge stellt die Autorin aber souverän zusammen. Immer wieder wird sich auf Georg Orwell bezogen, auf Huxley, Philip Roth, Stefan Zweig, Klemperer, Thomas Pynchon, David Foster Wallace und viele andere.
Es ist ein sehr amerikanisches Buch, in dem Donald Trumps Methode des Lügens in den Vordergrund gestellt und analysiert wird.

Ein Fazit sehe ich in dem Satz:
„Einfache Gegenmittel gibt es nicht, entscheidend ist aber, dass die Bürger sich gegen den Zynismus und die Resignation wehren, auf die Autokraten und machthungrige Politiker angewiesen sind, um den Widerstand zu untergraben.“

Ein lesenswertes Buch!

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Michiko Kakutani war mehr als drei Jahrzehnte lang Literaturkritikerin der New York Times. Sie war gefürchtet: Ihr Name wurde sogar in ein Verb verwandelt. Autoren fürchteten jahrelang, «kakutanisiert» zu werden. Kakutani war eine weibliche Reich-Ranicki der USA. Vor zwei Jahren hat sich Kakutani aus dem Literaturbetrieb zurückgezogen – und hat ein Buch über die Lügen von Donald Trump geschrieben. Trump lügt beharrlich und täglich, laut einer Berechnung der Washington Post hat er bereits 10'000 mal gelogen im Amt. Er greift regelmässig die Presse, die Justiz, die Geheimdienste, das Wahlsystem und die Beamten an, durch die der Staat funktioniert. Doch der Angriff auf die Wahrheit beschränkt sich keineswegs auf die Vereinigten Staaten. Rund um die Welt appellieren Populismus und Fundamentalismus immer stärker an Furcht und Wut als Ersatz für vernünftige Diskussionen, untergraben demokratische Institutionen und ersetzen Fachkenntnisse durch die so genannte Weisheit der Masse. Kontinuierlich verliert die Objektivität an Gewicht – oder auch nur die Idee, dass Menschen nach der bestmöglichen Wahrheit streben können. Doch ohne Wahrheit, ohne Fakten kann es keine Demokratie geben.
Trump ist der Ausgangspunkt von Kakutanis Buch über den Tod der Wahrheit und auf Trump kommt sie immer wieder zu sprechen, es bleibt aber (zum Glück) nicht dabei. Sie zeigt anhand von vielen Beispielen, wie die Sprache von der Propaganda eingenommen wird, welche Folgen das Versacken in den Sozialen Medien hat und was die schöne, neue Medienwelt in Wahrheit bedeutet. Das Buch ist dabei gespickt mit Zitaten aus Literatur und Politik und schon deshalb ein wahrer Steinbruch an Weisheit über die Bedeutung der Wahrheit. Das Buch ist eine wunderbar geschriebene Diagnose der Zeit, eine Analyse der verlogenen Welt von Politik und Medien. Das einzige, was Kakutani nicht anbietet, ist eine Lösung.

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Michiko Kakutani war jahreland die oberste Buchkritikerin der New York Times - vom Renommee ist das vermutlich in Deutschland nur zu vergleichen mit der Rolle von Marcel Reich-Ranicki für die Literaturkritik. Pulitzerpreisträgerin, und nun selbst Autorin: Ihr Buch "Der Tod der Wahrheit: Gedanken zur Kultur der Lüge" ist eine Abrechnung mit dem Amerika Trumps, mit wissenschaftsfeindlichem und unkritischen Denken, mit trollartiger Polemik, Fake News und politikhöriger Hofberichtserstattung.

Die einzige denkbare Gemeinsamkeit zwischen Kakutani und Trump dürfte sein, dass beide in New York zu Hause sind. Ansonsten dürfte sie vieles von dem verkörpern, was er und seine Anhänger verabscheuen: Die aufgeklärte, intellektuelle, Ostküstengesellschaft, Lust an der Argumentation, belesen, scharfsinnig und scharfzüngig, Verfechterin von Werten und Positionen, die die Trump-Administration zu verdrängen und abzubauen versucht - sei es die Gesundheitsreform Obamas, sei es eine Klima- und Energiepolitik, die Umweltschutz und Bekämpfung des Klimawandels in den Vordergrund stellt, sei es humanitäres Denken.

Dass Trump nicht Kakutanis Präsident ist, dürfte nicht weiter erstaunen. Ein Präsident, dessen Unwillen zu lesen Fragen aufwirfr, wie er sich eigentlich zu wichtigen Themen informiert, muss ein rotes Tuch sein für eine Frau, die ihr berufliches Leben der Analyse von Büchern gewidmet hat. Als Kandidat wie als Präsident habe er "neuen Sprengstoff in die gesellschaftlichen und politischen Bruchlinien" gegossen, kritisiert sie Trump, aber auch jene Vertreter der Republikaner, die sich hinter ihm sammelten und "seinen Lügen, seiner Ablehnung von Fachkenntnissen und seiner Verachtung für viele Ideale, auf denen Amerika gegründet wurde, ein rationales Gewand" gaben.

Doch gleichzeitig verweist Kakutani darauf, dass viele Probleme nicht mit Trump begonnen haben, dass die Bush-Administration etwa schon in der Vorbereitung des Irak-Krieges die Öffentlichkeit im eigenen Land wie in der Welt belogen hatte - Man denke nur an die Behauptung über irakische Massenvernichtungswaffen.

Kakutani greift in ihren Essays über neue Kulturkämpe, Narzissmus und Postmoderne, auf Philosophen und Schriftsteller, Wissenschaftler und Politologen zurück, zitiert Hannah Ahrendts Gedanken zu totalitärer Herrschaft, Stefan Zweigs Erinnerungen über die Verharmlosung des znehmenden Faschismus, oder Viktor Klemperer über den Einfluss des Totalitarismus auf die Alltagssprache.

Wirklich Neues über das Amerika und die Sprache Trumps gibt es in "Tod der Wahrheit" nicht zu erfahren, doch die polemische Auseinandersetzung mit der politischen Kultur, die diesen Präsidenten hervorbrachte, zu Diskursen und historische Vergleiche mit Machtmissbrauch im 20. Jahrhundert machen dieses Buch - eigentlich eher eine Sammlung von Essays - lesenswert. Zugleich ist das Buch ein Plädoyer für die Auseinandersetzung mit Sprache, mit Gedanken - und natürlich mit Büchern.

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Michico Kakutani ist Literaturkritikerin und Autorin des Buches #DerTodDerWahrheit. Im Jahr 1988 gewann sie den Pulitzerpreis in der Kategorie Kritik und gilt als einflussreichster Opponent der USA.

Auf der ersten Seite des Buches #DerTodDerWahrheit ist ein Gemälde zu sehen, welches den Titel „Die Wahrheit ist gestorben“ trägt. Es stammt von Francisco de Goya und zeigt eine tote Frau, die von vielen Menschen umringt ist.

Das Buch beginnt mit der Feststellung, dass im 20. Jahrhundert zwei der ungeheuerlichsten Regimes aller Zeiten an die Macht kamen. Das konnte nur geschehen, weil die Menschen von Überdruss und Angst geprägt waren und ihnen die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge egal war. Die Bedeutung der Wahrheit nahm zu dem Zeitpunkt bereits einen geringen Stellenwert ein.

Heute gibt es nicht nur Fake - News. Es gibt die Fake - Wissenschaft (Klimawandelleugner und Impfgegner sprechen davon) und die Fake - Geschichte (Revisionisten des Holocausts und Menschen, die die Überlegenheit der weißen „Rasse“ propagieren). Dann gibt es zudem Fake - Amerikaner auf FB, die von russischen Trollen erschaffen wurden. Und wohl nicht nur Amerikaner. Je nachdem, in welchem Land eine Wahl stattfindet auch Deutsche, Franzosen, Italiener usw.


Frau Kakutani schreibt in #DerTodDerWahrheit viel über Trump und die USA. Seine Lügen, die er über Twitter verbreitet und seinen Narzissmus. Sie beklagt auch, dass über „soziale“ Medien, wie etwa FB, Nachrichten an die User verbreitet werden, die genau auf sie zugeschnitten sind. Es sind maßgeschneiderte Nachrichtenfeeds, die den Leser in seiner Meinung bestärken. Es spielt keine Rolle, ob sie von seriösen Medien kommen oder Lügen sind.

Der Hinweis auf die Schriften von Stefan Zweig belegt, dass er genau wusste, wie der Aufstieg Hitlers zustande kam. Die Nazis damaliger Zeit gaben ihre Pläne nur Häppchenweise an ihre Befürworter. Nach einem Happen folgte stets eine Pause. Der deutsch-jüdische Sprachforscher Victor Klemperers drückte es noch anders aus. Er schrieb in seinen Tagebuchaufzeichnungen und dem Werk „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“, dass die Sprache des 3. Reiches als winzige Arsendosen anzusehen waren. Für Hitler war die Sprache eine sehr wichtige Argumentationsgrundlage für seine kruden Vorstellungen. Und mal ehrlich, sehen wir es heute nicht auch bei allen Rechten Parteifunktionären?

Am 01.07. 2017 schrieb John le Carré im Guardian: Ohne klare Sprache gibt es keinen Maßstab für die Wahrheit.

Das Buch #DerTodDerWahrheit beschreibt zwar zumeist die Situation in den USA seit Trump. Dennoch zeigt es deutlich, wie auch in Europa der Ungeist der Nationalsozialisten um sich greift. Was die Gründe dafür sind und wie wir alle etwas dagegen tun können. Mir gefiel es sehr gut, da es Denkanstöße gab, die ich sonst nicht gehabt hätte. Sehr oft wird auf das Buch 1984 von Orwell hingewiesen. Einen Stern Abzug gebe ich, da sehr viele Fremdwörter nicht erklärt wurden.

Ich danke dem Verlag und #NetGalleyDE, dass ich das Buch #DerTodDerWahrheit lesen durfte.

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(Auszug)
[...]
Michiko Kakutani<, langjährige Chefrezensentin der New York Times, arbeitet in ihrem Buch detailliert auf, wie sich speziell die Kommunikation in den USA verändert hat. Kakutani zeigt, welche kulturellen Strömungen und welche gesellschaftlichen Veränderungen den Boden bereiteten, damit die Fake-Kultur der aktuellen US-amerikanischen Regierung überhaupt greifen konnte.

Michiko Kakutani lebt mitten drin im ''Fake-Land". Jenem Land, in dem augenscheinlich die Welle der alternativen Fakten und gezielten Lügen losgetreten wurde. Ihr Buch startet mit der aktuellen Lage im Land, bringt die Lügen des Präsidenten und die Vernebelungstaktiken der Regierung und ihrer Organisationen auf den Tisch. Von Beginn an stellt sie literatische und historische Dokumente dagegen, die schon vor Jahr(zehnt)en beängstigend genau vor eben jenen Ideen und demagogischen Verfahren warnten, die heute Realität sind: Hannah Arendt, Margaret Atwood oder George Orwell. Darunter auch ein gewisser Alexander Hamilton. Der beschrieb 1792 mit erschreckender Klarheit den zu fürchtenden Anführer mit Charakteristika, die heute der Präsident der Vereinigten Staaten auf sich vereint. Ein Mann "ohne Prinzipien im Privatleben" und mit "vorlautem Temperament", der sich "schmeicheln lässt und auf allen Unsinn der Eiferer seiner Zeit hereinfällt".

Kakutani verfolgt die Entwicklung zurück zu denkbaren Ursprüngen. Finanzkrise, Globalisierung oder Technologisierung sind da vielleicht Auslöser, aber keine Ursache. Die liegt ihrer Beobachtung nach an anderen Stellen. Kakutani verlässt an dieser Stelle zwar nicht die USA als ihren Beobachtungsort, ihre Analyse ist dennoch nicht landesspezifisch: Der "paranoide Stil" von Politik oder Gesellschaft komme in Wellen immer wieder und benötige einfach nur eine Gelegenheit dazu. Eine Gelegenheit bietet sich, wenn Tatsache und Meinung nicht mehr sauber unterschieden werden.

Zitat: "Unwissenheit und Ignoranz waren auf einmal modern. "Wenn die Bürger sich nicht mehr die Mühe machen, sich Grundkenntnisse über die Themen anzueignen, die ihr eigenes Leben betreffen, [...] geben sie die Kontrolle [...] auf, ob es ihnen gefällt oder nicht."

[...]

Einen wichtigen kulturellen Ursprung haben die Methoden und die Denkweise der politisch Rechten ausgerechnet bei den politisch Linken, so Kakutani, "eine paradoxe Entwicklung". Deren Kulturkämpfe während der 1960er hätten die Ideen der Aufklärung, die Ideale von Vernunft und Wissenschaft als reaktionäres, patriarchalisches Gedankengut abgetan. Ein damals kleiner Kreis vom Postmodernisten trieb das auf die Spitze und behauptete, es gebe gar keine ojektive Realität. Eine Ideologie, die heute dankbar aufgegriffen wird, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse krachend an die Wand geklatscht werden, um persönlichen Interessen den Vorzug zu geben (zu Lasten der Allgemeinheit freilich).

Michiko Kakutani findet viele Beispiele (u.a. auch in der Werbung), wo gezielt damit gearbeitet wird, Wahrheit durch Plausibilität zu ersetzen. Viele Trump-nahe Medienanbieter versuchen nicht einmal, Informationen zu liefern. Die Inhalte drehten sich vielmehr um "wahrheitsbasierten Content", mit dem gezielt Narrative aufgebaut werden. "Das Ergebnis ist ein Umfeld, in dem der Präsident auf einen Terroranschlag in Schweden anspielen kann, der niemals stattgefunden hat." [...]

Eine Rolle spielen zusätzlich die modernen Medientechnologien, die den Zugang zu Informationen ursprünglich vereinfacht hatten. Heute findet jeder ein zerstückeltes Medienumfeld, das die (manchmal bewusste, manchmal unbewusste) Abschottung und Silo-Bildung möglich macht. Algorithmen unterstützen das, von den Social Media bis hin zu Suchmaschinen. Je nachdem, wie sich ein Nutzer beim Suchen profiliert, könnten zum Beispiel Mitarbeiter einer Ölfirma andere Suchergebnisse zum Klimawandel erhalten als Umweltaktivisten.

Zitat: Soziale Medien [...] verstärken nicht nur die Polarisierung, sondern untergraben häufig auch das Vertrauen in Institutionen und erschweren die faktenbasierten Debatten und Diskussionen, die in einer Demokratie unentbehrlich sind.

Fake News den Hahn abzudrehen, ist keine einfache Aufgabe. Um zum Beispiel die erwähnten Silos aufzubrechen, müssten unter anderem Algorithmen verändert werden. In einer Zeit, in der Informationen monetarisiert werden, müssen Wege und Wille dazu erst einmal geschaffen werden. Mit Longreads mit geringem Klickpotenzial verdient es sich eher schlecht. Es spielen weiterhin psychologische Phänomene eine Rolle, die sich kaum aus der Welt schaffen lassen. Menschen neigen dazu, die erste Information zu akzeptieren, die sie zu einem Thema erhalten. Je mehr widersprüchliche Informationen danach kommen, umso stärker ist der Effekt. So etwas machen sich Trolle zunutze.

[...] Das Ergebnis sind Zynismus und Resignation, egal, ob die Propaganda in Russland, den USA oder hierzulande zuschlägt. Hat man einmal verstanden, dass die Autokraten genau darauf angewiesen seien, kenne man eines der wichtigsten Gegenmittel, so Kakutani: Sich stetig gegen Resignation wehren. Ein zweites Gegenmittel ist unbedingt die Freiheit der Presse. Nicht umsonst ist die Presse überall auf der Welt das erste Ziel, das Autokraten zum Schweigen bringen wollen.

[...] Kakutani mag sich schwerpunktmäßig mit den USA befassen, Fake selbst funktioniert überall identisch und ist überall eine Bedrohung demokratischer Strukturen. [...]

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