Das Singen der Sirenen

Roman

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Erscheinungstermin 09.09.2017 | Archivierungsdatum 12.01.2018

Zum Inhalt

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2017 Als der deutsche Frankenstein-Experte Jörg Krippen auf dem Campus seiner neuen Londoner Universität umherirrt, hilft ihm die junge Stammzellenforscherin Mae sich zu orientieren. Die Begegnung wirkt zufällig, tatsächlich hat sie diese bewusst provoziert. Kurz darauf führt Mae ein Wiedersehen herbei, um eine Affäre mit dem deutlich älteren Mann zu beginnen. Zugleich scheint sie sonderbar viel über ihn zu wissen. Im Londoner East End hat niemand auf den Literaturwissenschaftler Jörg Krippen aus Berlin gewartet. Die Kleidung vom Nieselregen durchweicht sucht er nach einer Klingel, als eine junge Frau indischer Abstammung ihn anspricht: »You look so lost«. Sie selbst ist in Brixton aufgewachsen und forscht im Bereich neuer Reproduktionstechnologien. Krippen verliebt sich rasch und heftig – und belügt sie, was seine Familie und seine linke politische Vergangenheit betrifft. Auch sie ist nicht ehrlich und verschweigt, dass sie vor Jahren als Austauschschülerin in Berlin war. Es entspannt sich eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, wie sie beide in der Intensität zuvor nicht erlebt haben. Doch ihre ungewöhnliche Liebe wirft Fragen nach dem Verhältnis von Geistes- und Naturwissenschaft auf.

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2017 Als der deutsche Frankenstein-Experte Jörg Krippen auf dem Campus seiner neuen Londoner Universität umherirrt, hilft ihm die junge Stammzellenforscherin...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783608983043
PREIS 22,70 € (EUR)
SEITEN 320

Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Der Literaturwissenschaftler Dr. Jörg Krippen hat einen Lehrauftrag zum Thema „Literarisches Schreiben“ in einer Londoner „Summer School“. Betreut wird er von der jungen Studentin Mae. Dass Krippen im Abstand von 12 Jahren zweimal in London gearbeitet hat, lässt Gegenwart und Vergangenheit und seine beiden Beziehungen miteinander verschwimmen. Damals ließ Krippen in Berlin Hellersdorf Frau und Kind zurück, weil sie das Geld dringend brauchten, das er in London verdienen würde. In Rückblenden erinnert er sich an verschiedene Situationen mit seinem Sohn Leo und an Kämpfe seiner AntiFa-Gruppe 1990, als Krippen noch eine Zecke mit Dreadlocks war. Leo ist inzwischen 15 und begeisterter Fußballspieler. In London wird Krippen mit einem Sohn konfrontiert, den er angeblich vor Jahren mit Mae gezeugt haben soll. Ein Cousin Maes will ihn unbedingt in London halten und vergibt einen lukrativen Recherche-Auftrag an Krippen, der ihn u. a. nach New York führt. Krippen ist nun auf der Flucht vor Frau und Sohn in Berlin und Frau und Sohn in London. Leon kommt sogar zu Besuch nach London um bei Krippen nachzubohren, wann er nach Abschluss seines Lehrauftrags nach Berlin zurückzukehren gedenkt. Bei einem Besuch im Dresden der Pegida-Demos kommt Krippen schließlich in der Gegenwart an.

Den Einstieg in Michael Wildenhains neuesten Roman fand ich aufgrund der Dopplung mit Mae und Arundhati kompliziert. Auch die verschachtelte Sprache für alltägliche Ereignisse wie den Schwimmbadbesuch mit Leo ebnete nicht gerade den Zugang zur Handlung. Erst in der Mitte, als Ort, Zeit und Ziele der Figuren klarer wurden, fand ich Zugang zum Text. Krippens Reifung in den Jahren seit seiner kämpferischen Studentenzeit wurde leider kaum ersichtlich. Wildenhain gibt unterschiedlichen Milieus und Lebensaltern jeweils einen eigenen Ton, so dass Erzähler und Krippen sich mit fortlaufender Handlung aus ihrer anfänglichen Schachtelsprache freizuschwimmen scheinen. Das Konzept der unterschiedlichen Sprachniveaus gelingt für meinen Geschmack nur teilweise, weil die Figuren und die Erzählerstimme Urberliner Vokabular mit Eigenheiten zugezogener „Schwob‘n“ mischen. Wie ein süddeutsch-österreichischer Tonfall nach Hellersdorf importiert wurde, erzählt Krippens Geschichte nicht. Die verschachtelte und für die Schauplätze nicht immer authentische Sprache empfinde ich als unnötige Hürde gegenüber der Romanhandlung, obwohl mich Figuren, Orte und historischer Hintergrund durchaus interessieren.

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Der Literaturwissenschaftler Jörg Krippen wird als Gastdozent nach London eingeladen. Schon bei der Ankunft in seiner Bleibe begegnet er einer jungen Frau, die zugleich etwas Bekanntes wie auch etwas Faszinierendes hat. Als sie in seinem Seminar auftaucht und ihn dann auch noch auf Deutsch anspricht, ist er mehr als verwundert, lässt sich aber auf eine Affäre ein. Bald schon muss er jedoch feststellen, dass sie sich nicht zufällig über den Weg gelaufen sind, sondern dass Mae dies alles geplant hat und ihn tatsächlich schon aus Berlin kannte. Berlin, seiner Heimat, wo auch seine Frau Sabrina und sein Sohn Leon sind und eigentlich das gemeinsame Leben stattfindet, aus dem sich Jörg gerade mehr und mehr flüchtet. Schnell entfremdet er sich von seinem alten Leben, doch die Vergangenheit holt ihn ein, eine Vergangenheit, die noch vor der mit Sabrina lag.

Sirene, die, ein weibliches Fabelwesen der griechischen Mythologie, das mit seinem Gesang die Männer betört und schließlich tötet. Auch bei Michael Wildenhain singen die Sirenen und locken Jörg Krippen an, der scheinbar den Verlockungen der Frauen nichts entgegenzusetzen hat und sich wehrlos ausgeliefert sieht. Sabrina lockt ihn und kann ihn für ihre Ideale einnehmen, auch Mae ergibt er sich unmittelbar. Was in der Mythologie einen gewissen Reiz hat, weil immer die Hoffnung besteht, dass eines dieser Fabelwesen seinen Willen nicht bekommt, wird bei Wildenhain jedoch zu einem lahmen Männerbild, das mich nur teilweise überzeugen kann.

Jörg Krippen als Figur ist schwach. Beruflich weitgehend gescheiter, privat auch nur wenig vorzuweisen, als Vater versagt. Statt sich der Realität zu stellen, flüchtet er: in ein anderes Land, in eine andere Beziehung. Immer wenn es gilt, Verantwortung zu tragen, läuft er weg. Was soll mir diese Figur sagen? Dass es schwache Menschen gibt? Ja, natürlich. Dass es feige Menschen gibt? Sowieso. Aber wo bleibt die Lösung? Der Roman liest sich sehr gut, sprachlich tadellos und überzeugend. Aber auch ein wenig zu glatt, zu smooth, um Reibungspunkte zu erzeugen. Er kann an einigen Stellen überraschen, aber insgesamt für mich der Roman, der bezogen auf Handlung, Figuren, Thema und auch Sprache von den Nominierten der Longlist zum Deutschen Buchpreis der blasseste und am wenigsten überzeugende Roman ist.

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Wenn ihr Lied erklingt..
dann sollte vielleicht mal jemand dem armen Dr. Jörg Krippen ein paar Wachspfrofen schenken, wie einst Odysseus seinen Gefährten..

Der Berliner Akademiker, seines Zeichens Doktor phil. der Komparistik, also der vergleichenden Literaturwissenschaften, und zu Beginn der Narration gerade „verloren“ in London, wo er eigentlich am College als Postgraduierter ein Seminar über künstlich geschaffene Menschen in der Literatur abhalten soll, aber schon im ersten Torbogen Mae, einer der zwei Titel gebenden Sirenen in die Arme läuft, und ganz wie bei Homer geschrieben ihrem „Gesang“ erliegt.

Die weit jüngere, attraktive Britin, Naturwissenschaftlerin mit Indischen Wurzeln, deren Einfluss auf den Teint der Heldin, der Autor, Michael Wildenhains, ausgiebigst thematisiert, ist Stammzellenforscherin und beschäftigt sich sich von Berufs wegen mit der Zeugung von künstlichen Menschenteilen in der Petrischale.

Schon nach dem ersten, kurzen Dialog des hilflosen Antihelden Krippen mit dieser selbstsicheren und gleichzeitig auch irgendwie geheimnisvollen Frau, die ihm erklärt, wo’s lang geht, Krippen hat sich zwischen den Gebäuden auf dem Campus verlaufen, ist er ihr verfallen.

In immer wieder eingestreuten Rückblenden erfährt der Leser des für den Deutschen Buchhandelspreis 2017 nominierten Romans „Das Singen der Sirenen“ , dass Krippen Frauen mag, die Anweisungen geben, denen er folgen kann, egal wohin es geht.

Eine solche ist auch Sabrina, die Mutter seines fünfzehnjährigen Sohnes Leon. Leon heißt Löwe, und vielleicht wollte Krippen mit der Namenswahl seines Erstgeborenen eine Art Schutzzauber über ihn legen, der verhindert, dass der Sohn zur leicht erlegbaren Antilope für Frauen wie Sabrina wird. Er selbst hatte sie Ende der 80er, kurz nach dem überdurchschnittlichen Abitur, kurz nach dem Verlassen des kleinbürgerlichen Elternhauses, als er mit nur wenigem Gepäck in Berlin von Couch zu Couch zog, kennengelernt. Den Ballast der Vergangenheit in Pappkartons im alten Leben zurückgelassen. In jener instabilen Zwischenzeit kurz vor der Wiedervereinigung, in der alle Wahrheiten der Systeme aufgelöst waren, die der politischen, aber auch die emotionalen, traf sie auf ihn. Er war völlig wehrlos gegen ihren Sirenengesang.

Mit ihr an seiner Seite wurde er zum Ritter in glänzender Rüstung, zum Kämpfer für Gerechtigkeit, zum Verteidiger der Wehrlosen und Schwachen, auch wenn es sich dabei um Cordsakko tragende Biolehrer handelte, die während der S-Bahnfahrt von der personifizierten Gewalt von Rechts zum Aussteigen genötigt wurden.

Sabrina, die damals nach Martina hieß, und gerade die Ausbildung zur Krankenschwester geschmissen hatte, die in der linken Hausbesetzerszene eine feste Größe war, mit allzeit hohem Testosteronspiegel gesegnet eher eine Verfechterin der non-verbalen Kommunikation in Streitfällen war, was Jörg das Leben rettete und einem Rechten seins beinahe nahm . Und weil das nicht nichts war, und Krippen diesem weiblichen Kraftfeld nichts entgegen zusetzen hatte, schenkte er ihr seins.

Er blieb. Blieb bei ihr im besetzten Haus, blieb bei ihr, als sie versuchte mit ihm gleichzuziehen, das Abitur zu machen, mit um Jahre jüngeren Mitschülern, die diese laute, kraftmeiernde Frau nicht hineinließen in ihren Kreis. Er blieb, als sie darüber gekränkt, um sich schlug. Blieb, als sie hinschmiss. Folgte ihr in das Projekt Kleinfamilie. Leon wurde geboren. Sein Sohn. Die ersten Jahre Glück pur. Er blieb.

Um bleiben zu können, suchte er, mittlerweile das Studium beendet, promoviert mit Auszeichnung, Auszeiten, Abstand, Fluchten. Suchte ein neues Leben im alten. Er schrieb. Theaterstücke. Nicht unerfolgreich sogar. Sie wurden aufgeführt. An kleinen Nebenbühnen, aber es gab Schulterklopfen von Kollegen, Applaus vom Publikum und sogar Lob von der Kritik. Die Welt des Worts, die Sabrina unheimlich ist, feierte ihn. Er hatte künstlerische Ambitionen, die Sabrina torpedierte, er hatte Zweifel, die Sabrina bestärkte. Er blieb.

Danach der Versuch an der Universität Fuß zu fassen. Eigentlich zu alt, aber Hartz 4? Also, mal hier eine Assistentenstelle, dort eine akademische Vertretung in einer anderen Stadt. Sie räumt im Supermarkt Regale ein und beschimpft ihn als Versager. Irgendwann sogar eine kleine Wohnung für sich alleine, nur ein paar Straßen entfernt, denn er bleibt.

Da kommt ihm das Angebot für die Gastdozententätigkeit in London gerade recht. Die auch Flucht ist, und nicht nur ein letzter Versuch seine akademische Karriere als Frankensteinspezialist zu pushen.

Doch auch hier wird er willenlos, als er Mae trifft, verdrängt Zeit, Ziel und am liebsten auch die Familie daheim in Berlin, denn die Sirene singt. Lauscht, verschweigt ihr sein eigentliches Leben. Schon bald sind seine universitären Ambitionen vergessen. Er verliert Job und Wohnung, kriecht zur Untermiete bei seinem Tutor unter.

Mae, die eigentliche Mohini heißt, nimmt es mit der Wahrheit des Wortes auch nicht so genau. Sie hat ihn auf Wunsch ihrer älteren Schwester Ashanti schon als jugendliche Gastschülerin in Berlin durch die Zwischenetagentoilette seines Mietshauses beim Streiten mit Sabrina beobachtet, was sie verschweigt. Diese ältere Schwester hat einen nun elfjährigen Sohn, von dem Krippen erst in London von Mae erfährt. Raj, ein Schach-und Rugbygenie, gezeugt von ihm während eines One-night-stands im Taumel einer erfolgreichen Aufführung eines seiner Theaterstücke.

Mae findet Gefallen an ihrem Gesang und an ihm, will dass er Berlin gegen London tauscht, dass er bei ihr bleibt. Die Naturwissenschaftlerin arbeitet dabei nicht mit schönen Worten, sondern schafft Fakten. Stellt ihm, dem ehemaligen Anti-Establishment-Kämpfer, mit Hilfe eines Verwandten eine Festanstellung mit beachtlichem Gehalt in Aussicht. Zur Bewährung zwei Artikel. Eine Reise in ihrer Begleitung ins Pre-Trump- Amerika, die eher was von Urlaub hat, und mit einem beachtlichem Spesenkonto versehen ist. Dann ein Trip nach Dresden, einen Artikel über die neuen Rechten in Deutschland. Sie hält alle Fäden in der Hand. Dazu eröffnet sie ihm hoch über den Wolken eine Wahrheit, die er gar nicht hören will und in Berlin singt Sabrina.

Soweit zur zugegebenermaßen ambitionierten, weit schweifenden Handlung. Diesen Roman nun als Biographie eines Getriebenen zu lesen, trifft es nicht, finde ich. Da ist kein innerer Impuls, der ihn bewegt, auf jeden Fall nie für längere Zeit. Er ist ein Angetriebener. Ihm passiert sein Leben. Sobald sein Schiff wieder eine Sirene kreuzt, eine Frau, die ihn einer Billiardkugel gleich anspielt, kommt er in Schwung, aber bleibt er halt auch irgendwann einfach liegen.

Wildenhains Stil des assoziativen, disruptiven Erzählens, Gedankenfetzen an raumnehmenden Schachtelsätzen, dazwischen Perspektivenwechsel, das war oft herausfordernd, auch gewöhnungsbedürftig, auch anstrengend. Und ja, ich musste teilweise solche Passagen gaaanz laaangsam und wiederholt lesen, aber es erschien mir nie als künstlerischer Selbstzweck, immer textlicher Ausdruck der Figuren. Es gab auch ruhigere Passagen, ohne Unterbrechungen des Leseflusses, mit kurzen Sätzen und auch langen. Verschachtelt ja, aber wunderschön, mit einem außergewöhnlichen Blick für Details.

Was ist nun aber das Thema dieses Romans? Worum geht es?

Natürlich um den Widerstand gegen Rechts. Wer dem Internet glauben schenkt, oder schon mehrere Werke von Wildenhain gelesen hat, ist dies eines der Lieblingsthemen des Autors Jahrgang 55. Ein Thema, dessen erneute literarische Wiederholung kritisch kommentiert wurde. Ich finde das unbegründet. Jemand, der Ende der 80er links sozialisiert wurde, der legt dieses Thema nicht ab, wie eine unmoderne Hose, den verfolgt es ein Leben lang, wie Dr. Krippen und auch Wildenhain.

In dem Roman geht es um Beziehungen, um Liebesbeziehungen, das ist nicht zu überlesen, deren Beteiligte hier ausgesprochen manipulativ agieren, aber auch um die Beziehung zwischen Vätern und Söhnen. Merkwürdigerweise scheinen hier mal die Mütter für die Söhne nur Nebenfiguren zu sein.

Es geht möglicherweise auch um das Gegensatzpaar Geisteswissenschaft und Naturwissenschaft, wobei das für mich nicht so deutlich war, wie für andere Rezensenten, aber man liest ja nur, wofür es in einen Resonanzraum gibt.

Für mich persönlich ein größeres Thema des Romans: Identitätsbildung. Die stetige Suche nach dem Ich. Die Fragen: Wer bin ich? Und was hat mich dazu gemacht? Wer möchte ich sein? Wie erschaffen ist mein Ich? Oder auch einfach: Wieviel Dr. Frankenstein ist in uns allen?

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