Wilde Geschichten

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Erscheinungstermin 05.04.2023 | Archivierungsdatum 01.03.2024

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Zum Inhalt

Er galt als »König der Romantik«, brachte Deutschland mit seinen Übersetzungen Shakespeare und Cervantes nahe, war genialer Entdecker, Förderer, Vorleser – doch seine eigenen frühen Erzählungen, in denen er Wahnsinn, Raserei, Furcht und Schrecken literaturfähig macht, gilt es erst noch zu entdecken.

Schon als Junge war Tieck ein Bücherfresser par excellence. Und seine eigene Phantasie schlug wilde Volten. Der Fremde, Der Psycholog, Liebeszauber, Der Runenberg und ähnlich heißen seine frühen Geschichten, die freilich kaum jemand kennt. Ein großer Fehler, sagen Jörg Bong und Roland Borgards – und liefern zu Tiecks 250. Geburtstag eine brillante Auswahl davon. Sie erzählen zudem in kurzen Zwischentexten vom Genie ihres Erfinders.

Tiecks Erzählungen haben bis heute nichts von ihrer mitreißenden Intensität verloren. Denn sie haben es in sich: Tieck entwickelt darin Arten des Erzählens, die bis heute bestimmend geblieben sind, von der Literatur über das Kino bis zur Netflix-Serie, im Dreiklang von Comedy, Horror und Fantasy.

Er galt als »König der Romantik«, brachte Deutschland mit seinen Übersetzungen Shakespeare und Cervantes nahe, war genialer Entdecker, Förderer, Vorleser – doch seine eigenen frühen Erzählungen, in...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783869712772
PREIS 25,00 € (EUR)
SEITEN 288

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Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

“Wilde Geschichten” ist ein Sammelband mit frühen Erzählungen von Ludwig Tieck. Die Texte wurden, wie das Vorwort verrät, teils in jungen Jahren für aufklärerische Zeitschriften geschrieben. Immer wieder halten die Herausgeber Jörg Bong und Roland Borgards auch in Zwischentexten dazu an, nachzuspüren, wie viel an den Texten noch typisch Aufklärung ist, und wie viel sie schon vom späteren romantischen Denken Tiecks haben.

Einige der Texte sind durchaus lesenswert. Besonders der erste ist sehr wohlkonstruiert. Ein Mann kommt in eine Stadt, um dort sich um eine Stelle zu bewerben. Auf dem Weg in eine Kneipe ist er unfreundlich zu einem anderen Mann, in der Kneipe freundet er sich mit jemanden an, der dort ansonsten eigentlich nur Gegner hat, aber ein Zögling des Präsidenten sein soll. Bei dem Präsidenten soll der Mann am nächsten Tag selbst vorsprechen. Er macht einen guten Eindruck, doch der Präsident sagt ganz klar, dass er einen anderen vorziehen wird: einen engen Freund nämlich. Genau den Mann, mit dem der Neuzugang in der Kneipe Freundschaft geschlossen hat. Vielleicht auch ein Grund: Der andere, den der Neuling draußen beleidigte, war just der Präsident. Aus seinem Hotel tauscht der Neuling derweil manchmal Blicke mit einer schönen Frau auf der anderen Straßenseite. Doch dann erfährt er, sie sei eine Prostituierte und schaut sie nur noch abschätzig an. Ehe er die Stadt verlässt, geht er noch einmal zur Promenade auf den Stadtwall. Dort beobachtet er den Präsident, wie er reitend versucht die Passanten zu beeindrucken, und kommt zu diesem dialektischen Schluss, nach dem er glücklicher ist:

“Gibt es in der ganzen Welt etwas Närrischers, als den so genannten König der Welt, den Menschen? – Die seltsamste von allen Arabesken ist gerade in diesem bunten Gemälde des Lebens so angebracht, dass sie uns am meisten in die Augen fällt. – Ich komme hier mit der größten Zuversicht an, Rat zu werden, ich lache einen Menschen aus, von dem mein Glück abhängt, schütze mit kühnem Mute meinen Feind vor den Angriffen seiner Spötter, werde von diesem und vom Präsidenten verachtet, ich fühle meine Abhängigkeit – und doch gibt sich jetzt das Pferd und der Präsident meinetwegen die größte Mühe; er hängt von meinem Blick ab, und ein bedenkliches, verächtliches Kopfschütteln hätte ihn ängstigen können. Dieser hagre Mensch philosophiert über die Eitelkeit, und ist eitel genug, dem Präsidenten nachzulaufen, um mit ihm zu sprechen, die Vorübergehenden verspotten den Zeitungsschreiber, und werden bei der nächsten Gelegenheit sich nicht anders nehmen, und ich selbst wäre jetzt wieder im Stande, den Präsidenten den vortrefflichsten Reiter von der Welt zu nennen, um seine Gunst zu gewinnen, und an der nächsten Ecke liegt mein hoher Gönner vielleicht im Sande, weil er sich von einem vorübergehenden Dummkopf hat wollen bewundern lassen.”

Das gibt ihm auch den Ruck, die Prostituierte zu besuchen, statt sie weiter gering zu schätzen. Und hier erfährt er nun, dass genau sie ihm bei dem Präsidenten helfen könnte und bald bekommt er doch den erwünschten Job und der Freund aus der Kneipe ist noch nicht einmal sauer auf ihn, weil der Präsident den dann bei der nächsten Stelle bevorzugen wird. Das alles ist schön erzählt, geht auf, ohne zu früh erwartbar zu sein und ist eine absolut runde Geschichte.

Manche weitere der frühen Texte sind halbwegs auf diesem Niveau, andere aber eher auf dem Niveau des zweiten Textes, in dem zwei Menschen kurz und knapp in Briefen eine Ereignisreihe beschreiben, die zu ihrer Ehe führt. Während aber der Mann erzählt, wie er eine junge Frau verliebt in sich gemacht habe, erzählt die junge Frau, wie sie sich in einen anderen Mann verliebt habe von diesem enttäuscht wurde und dann diese Vernunftehe eingegangen ist. Das könnte, ausgearbeitet wie der erste Text, eine gelungene Geschichte sein. Aber als reine Reihe von Briefen hat es kaum Reiz.

Ich möchte dennoch diese Geschichte zum Anlass nehmen, um einen Gedanken zu kritisieren, den die Herausgeber in ihren Zwischentexten ausbreiten. Man formuliert es, zusammengefasst, folgendermaßen:

Die Romantik unterscheide sich von der Aufklärung im Verhältnis zur Welt darin, dass die Aufklärung zwar Irrtümer kenne, damit aber auch zumindest prinzipiell eine objektive Wahrheit, während die Romantik nur noch Perspektiven kenne, und damit keine Wahrheit mehr.
Und des Weiteren: Dass das ein Fortschritt im Blick auf die Welt und die Menschen sei.
Der Text fasst es so:

“Wieder ein wildes Ende: All unser Wissen in dieser Welt ist nur ein Irrtum. Tieck kennt das aus seiner Schulzeit am Friedrichwerderschen Gymnasium, und es gehört zum guten Ton humanistischer Bildung im Berlin der Spätaufklärung: »ipse se nihil scire id unum sciat« – »ich weiß, dass ich nichts weiß«. (…) Und Trost spendet der Gedanke schließlich drittens, weil bei allem Irrtum über die Welt es doch immerhin jemanden gibt, der oder die im Irrtum ist: Ich irre, also bin ich. (…) Damit ist die literarische Form, die Tieck wählt, klüger als die Moral, mit er die Erzählung enden lässt. Nicht: All unser Wissen in dieser Welt ist ein Irrtum. Sondern: All unser Wissen in dieser Welt ist perspektivisch gebunden.
Es ist ein kleiner und zugleich großer Schritt aus der Aufklärung in die Romantik. Jemand wie Nicolai, in dessen Auftrag Tieck seine Straußenfedern-Erzählungen schreibt, sieht zwar – vor dem Hintergrund einer unantastbaren Wahrheit – all die Irrtümer seiner Zeit. Doch erst jemand wie Tieck, dessen ambivalente Botschaften Nicolai ungewollt verbreitet, sieht nur noch divergierende Perspektiven. Die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum verliert da ihren Sinn.“

Das ist so ein unglaublicher, wenn auch heute weit verbreiteter, Quatsch.

Weit verbreitet, weil das meiste Denken heute vom Poststrukturalismus oder breiter und diffuser von einer, noch dazu meist schlecht verdauten, Postmoderne beeinflusst ist, die ihrerseits wiederum vor allem eine romantische Weltsicht ist. Die Wurzeln liegen, anders als es die politische Rechte heute gern verkaufen würde, besonders im Denken Nietzsches und Heideggers kaum in Hegel, Marx oder auch nur dem Marxismus. Es ist sicher nicht falsch, dass die Romantik auch schon teilweise in diese Richtung ging, allerdings übersieht schon diese Behauptung einen großen Unterschied: „Gott“ oder die „Natur“. Das eine oder das andere, oft das andere zuerst, dann das eine, steht eben doch hinter allen Unsicherheiten und Unschärfen, hinter allem Spiel der Romantik. Man vergleiche dazu etwa Schlegels Lucinde oder auch den späteren Text „Die Farben“ in „Wilde Geschichten“:

„Sooft ich in die wunderbare Welt hineinblicke und mir vorstelle, ich schaute sie zum ersten Male an, so verwundre ich mich jedes Mal über die unendliche Mannigfaltigkeit der Formen, über die verschiedenartigen Gebärden, die jedes andre Wesen unter den übrigen macht. Wie alles Lebendige und Leblose, Kreatur, Fels, Baum, Gesträuch, sich mannigfaltig bewegt und rührt, wie es in andrer Organisation dasteht und das wirkende Leben in ihm Zweige und Blätter hervortreibt oder in Gliedern, in Flossen, in Flügeln auseinanderstrebt. Die Pflanzenwelt und das Steinreich hängt mit Seel und Leib unmittelbar mit der alles erzeugenden Erde zusammen. Die Menschen und das Tiergeschlecht machen einen für sich bestehenden Staat, sie erzeugen sich in ununterbrochener Folge durch sich selbst, sie rufen nur die übrige Natur in ihrer Existenz zur Hülfe. Aber noch seltsamer fällt es mir auf, wenn ich die unterschiedlichen Farben betrachte, wodurch alle Gegenstände noch mehr getrennt und denn gleichsam wieder verwandt und befreundet werden. Ein unbegreiflich geistiges Wesen zieht sich als freundliche Zugabe über alle sichtbaren Gegenstände, es ist nicht die Sache selbst und doch unzertrennlich. Wie wunderschön und bunt steht nun der grüne Wald mit seinen Bäumen, mit seinen heimlichen Blumen, mit seinen lebendigen Kreaturen und gefärbten Vögeln da! Der Sonnenschein irrt und funkelt hinein, leuchtet und betrachtet sich gefällig auf jedem Blatte, auf jedem Grashalm. Dabei kein stummes, einsames Schweigen: der ermunternde Wind zieht durch die Baumwipfel und rührt alle Blätter als ebenso viele Zungen an, der Baum schüttelt sich vor Freude, und wie in einer Harfe regen sich und rauschen unsichtbare Finger. Die jubelnden Vögelein werden zu Gesängen angefrischt, tausend Klänge und Stimmen irren und verwirren sich durcheinander und eifern mit Gesangesheftigkeit; das Wild verschweigt nicht seine Lust, aus den Wolken hernieder die Lerchen, dazu die Bächlein, die wie stille Seufzer des Entzückens auf der niedern Erde fortrollen, – welcher Geist, welche Freundschaft rührt die unsichtbaren, verborgenen Springfedern an, dass alles sich mit unermesslicher Mannigfaltigkeit zu Gesang und Klang ergießt?“

Es ist dann auch kein Zufall, dass die meisten (kontinentalen) Romantiker politisch konservativ waren und später zurück zum Christentum fanden.

Schlimmer aber noch ist die Idee, dieses reaktionäre durchstreichen der Möglichkeit, sich durch Gebraucht der eigenen Vernunft dem möglichst objektiven Bild einer Situation anzunähern, sei irgendwie fortschrittlich. Wo keine Wahrheit, da auch kein Diskurs. Wo mein Gegner sagt, eigentlich können wir unseren Disput nicht entscheiden, denn es gibt nur Perspektiven, gilt recht eigentlich das Faustrecht. Es ist eine Sache zu sagen, dass es aus der Perspektive eines einzelnen Menschen oder sogar der kollektiven Anstrengung der Menschheit heraus schwierig bis unmöglich ist, sich der Wahrheit auch nur anzunähern, geschweige denn, ihr inne zu werden. Das gilt umso mehr, wo Mensch oder Menschheit zugleich Subjekt und Objekt von Erkenntnis sein soll. Aber von der Schwierigkeit bis Unmöglichkeit des Findens von Wahrheit zu sprechen ist etwas anderes als Wahrheit an sich zu verleugnen. Und überhaupt – was bedeutet das Wort „Perspektive“ noch, ohne ein bestimmbares Worauf?

Der besondere Witz hier ist aber, das Tieck gleich im nächsten Text eine Möglichkeit aufzeigt, wie man eben nicht rein bei der persönlichen Perspektive verharren muss. Hier nämlich kommt ein Psychologe in eine Stadt, trifft sich mit einem Berufsgenossen und bekommt einen „Verrückten“ vorgeführt. Der will immer wieder Briefe von einem guten Freund erhalten haben, der seine Krankheit schildert und dem es immer schlechter geht. Wie freut er sich dann, als er den Freund lebend und gesund vor seiner Tür stehen findet, sich eine Zeit lang mit ihm unterhält und einen weiteren Brief von ihm ausgehändigt bekommt. Als der Freund fort ist, öffnet er den Brief und in diesem wird verkündet, dass eben dieser Freund vor einigen Tagen verschieden sei. Wieder sind es die verschiedenen Perspektiven, des einen Psychologen, des anderen Psychologen und des „Verrückten“, die nicht vereinbar sind und als naheliegenden Schluss erscheinen lassen: Der Mann ist eben verrückt, er hat sich den Besuch des Freundes eingebildet. Allerdings spricht der Psychologe bald darauf mit einem Mitreisenden über die Geschichte, und der hat Interessantes zu enthüllen:

“Lassen Sie mich eine kleine Geschichte erzählen, sagte der Reisende. Es sind zehn Jahre, als ich durch diese Stadt reiste, auf der letzten Station erhielt ich von einem Unbekannten einen Brief, den ich hier abgeben sollte; er hatte selbst gedacht, hierher zu reisen, aber ein Zufall nötigte ihn, seinen Weg zu verändern. Ich frage den Mann aus, an den der Brief adressiert ist, denn ich hatte Eil, weil ich gleich weiter musste; ich öffne die Tür und ich sehe einen ganz fremden Menschen; aber er eilt sogleich auf mich zu und umarmt mich herzlich, er freut sich unendlich und wir setzen uns. Ich war in der peinlichsten Lage, weil ich glauben musste, mich bei einem tollen Menschen zu befinden; ich eile fort; er will mich nicht fortlassen, und ich bin froh, als ich das Haus erst wieder hinter mir sehe.Wenn Sie dem Gestorbenen ähnlich sehn, rief der Psycholog, so ist Niemand anders, als Sie das Gespenst!”

Tatsächlich: Indem mehr Informationen eingeholt wurden und Perspektiven abgeglichen, hat sich der Protagonist der Wahrheit über den Fall des „Verrückten“ ein gutes Stück mehr angenähert, vielleicht nicht ausreichend, um im philosophischen Sinne zu sagen: Er kennt die eine und absolute Wahrheit (darüber). Aber doch in einem gesellschaftlichen Sinne ausreichend um als wahr zu verkünden: Der „Verrückte“ ist nicht verrückt. Es war nur eine Reihe von Zufällen, die diesen Eindruck entstehen ließ. Und in der gleichen Art und Weise ließe sie sich auch über die vorangegangene Geschichte weiter nachdenken. Werden die beiden Eheleute nicht vielleicht irgendwann doch ihre Geschichten abgleichen, und dann eben nicht mehr nur unvereinbare Perspektiven haben? Ist das Niederschreiben der Geschichte, der Akt des Erzählens, nicht gewissermaßen für Dritte genau eine Übung darin, im Überwinden des Einseitigen der reinen Perspektive?

Sehr schade, dass die Herausgeber sich mit der Aufeinanderfolge dieser beiden Texte eine solche ideale Vorlage geben, um die Gedanken von der Wahrheit und der Perspektive und der Romantik und dem Fortschritt weiterzuführen, und genau das dann nicht machen. Im Anschluss an die Geschichte, die so zwingend darauf drängt, weiter über Perspektiven nachzudenken: kein Gedanke zu Perspektiven.

Das ist eine Auslassung, die man werkimmanent kritisieren kann. Eine weitere Auslassung möchte ich zumindest erwähnen. Die Herausgeber sprechen im Vorwort kurz darüber, dass Ludwig und Sophie Tieck gemeinsam für die aufklärerischen Blätter Geschichten geschrieben haben. Ob gemeinsam jeweils einzelne oder auch gemeinsame Texte wird nicht klar. Das wäre also eine große Chance gewesen, den Erzählungen Ludwigs auch einige von Sophie beizustellen, die im Vergleich zum Bruder doch relativ vergessen ist. Dabei hat sie ausweislich der deutschen Wikipedia eine ganze Masse an Prosatexten und Gedichten verfasst. Stünden die Texte zusammen, was so sinnvoll wäre, da sie ja auch in den Blättern immer wieder parallel und hintereinander veröffentlicht wurden, könnten sich die Lesenden selbst ein Bild machen: Wurde der Bruder zurecht aufs Podest gehoben, weil er besser schreibt? Ist die Schwester zurecht in Vergessenheit geraten? Oder hat es vielleicht doch etwas, damit zu tun, dass man schreibende Frauen nicht ausreichend ernst nahm? Beides wäre ja durchaus möglich, aber etwas breiter darüber sprechen ließe sich doch nur, wenn man die Texte auch vergleichen könnte. Und was böte dazu eine bessere Gelegenheit als ein Band, dessen erste Hälfte genau die Zeit behandelt, da die beiden zusammen arbeiteten und zusammen veröffentlichten? So ist es nun gar nicht so einfach, sich die Informationen selbst zu besorgen und zu entscheiden. Denn im Gegensatz zu Ludwig Tieck, dessen Texte fast alle gemeinfrei online vorliegen und die in zahlreichen Ausgaben auch günstig antiquarisch zu haben sind, ist das für Normalnutzer öffentlich zugängliche Werk Sophie Tiecks klein und dazu auch noch teuer. Über wikisource findet man immerhin einige gescannte Bücher in Frakturschrift, und ich würde mich gerne einmal damit intensiver beschäftigen. Aber tatsächlich strengt mich das Lesen dieser Schrift so sehr an, dass es mir schwer fallen dürfte, dabei irgendeinen Genuss zu erfahren und das könnte mein Urteil beeinflussen.

Vielleicht gibt es ja mittlerweile Programme, die fähig sind, diese Schrift umzuwandeln? Kann Chat-GPT sowas?

Nachtrag: Die 2. Hälfte des Buches besteht aus späteren romantischen Erzählungen. Oft mit wilder Verbindung von Fantastik und Naturalistik & dadurch in der Handlungsentwicklung häufiger konfus. Die Herausgeber feiern das als eine Art Poetik des Schwindels, aber gewollt oder nicht: Das Ergebnis bleibt konfus. Themen werden gesetzt und nicht entwickelt, Enwicklungen wirken teils wie späte Ideen, brutal in die Geschichte geschmissen. Sprachlich oft schön, formal oft enttäuschend.

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Tieck? Zuerst dachte ich mit Schaudern an sporadisch Begegnungen mit posthornbegeisterten Romantikern zu Schulzeiten (wahrscheinlich bin ich nicht die einzige Leserin mit entsprechendem Trauma). Aber nein, bei Ludwig Tieck gibt es tatsächlich noch viel zu entdecken! Und ein wesentlicher Vorteil gerade dieses Bandes ist, dass die Herausgeber Jörg Bong undRoland Borgards nicht bei der Standardaufteilung Vorwort - Text - Nachwort geblieben sind, sondern mit Zwischentexten zwischen den einzelnen Tieck-Texten arbeiten, die Hintergründe, Anregungen und elegante Teaser in sich vereinen.
Ein Lese- und Entdeckervergnügen!

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Fantastisch, im wahrsten Sinn des Wortes! Ich kannte Tieck bisher nur als Shakespeare-Übersetzer, aber was Bong und Borgard da zusammengetragen und vorgestellt haben, macht neugierig auf mehr. Bin begeistert und beeindruckt!

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Obwohl die Geschichten ein Klassiker sind, waren sie für mich neu und ich hatte viel Spaß beim Lesen. Die Geschichten sind unterschiedlich angelegt und deshalb kurzweilig und unterhaltsam. Langeweile kommt beim Lesen nicht auf. Mir gefällt auch das Cover und der Schreibstil ist detailreich und flüssig. Vn solchen Geschichten müsste es mehr geben. Ich finde sie einzigartig und empfehlenswert.

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