Die Musik auf den Dächern

Erzählungen

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Erscheinungstermin 06.09.2021 | Archivierungsdatum 25.12.2021

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Zum Inhalt

Latifa riecht plötzlich nach frisch geröstetem Kaffee, was erstaunliche Folgen hat. Ein junger indischer Germanist knackt das Passwort zum Nachlass eines gefeierten Schriftstellers, dessen Sohn einen Hasen im Kopf hat. In einem Hakenkreuz aus Gummistiefeln werden Sonnenblumen gepflanzt. Der Rattenfänger von Hameln erzählt die Geschichte endlich mal aus seiner Sicht. Hillalum trifft die Gottmaschine. Şeyda hat Migrationshintergrund und geht mit dieser Diagnose ganz anders um, als von ihr erwartet wird.

Selim Özdogans Erzählungen spüren Schönheit und Schmerz im Alltäglichen auf – und legen dabei Überraschendes bloß.

Selim Özdogan, geboren 1971 in Köln, zweisprachig aufgewachsen, Abitur, danach Studium der Völkerkunde, Philosophie und Anglistik, abgebrochen. Zahlreiche Jobs, Veröffentlichungen seit 1995. Sein Debütroman »Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist« wurde zum Kultbuch. Zuletzt erschien bei Edition Nautilus der Kriminalroman »Der die Träume hört« (2019). Selim Özdogan lebt in Köln.

Latifa riecht plötzlich nach frisch geröstetem Kaffee, was erstaunliche Folgen hat. Ein junger indischer Germanist knackt das Passwort zum Nachlass eines gefeierten Schriftstellers, dessen Sohn einen...


Vorab-Besprechungen

»Sie ist Segen und Elend zugleich, die Kürze von Kurzgeschichten. Sind sie so gut geschrieben wie die von Selim Özdogan, bekommt man die Welt eines Romans auf wenigen Seiten – und kämpft doch ein ums andere Mal mit der Traurigkeit, wenn sie zu Ende sind.«
– Barbara Weitzel, Welt am Sonntag kompakt

»Ein buntes Kaleidoskop an Leben, Erfahrungen und Gedanken. Jeder Teil für sich unterschiedlich schimmernd. Und im Ganzen: Ein Kunstwerk.«
– Sally-Charell Delin, SR 2 KulturRadio

»Sie ist Segen und Elend zugleich, die Kürze von Kurzgeschichten. Sind sie so gut geschrieben wie die von Selim Özdogan, bekommt man die Welt eines Romans auf wenigen Seiten – und kämpft doch ein...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Hardcover
ISBN 9783960542629
PREIS 20,00 € (EUR)

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Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Manchmal müsst ihr bis zum Schluss des Textes warten, bis ich deutlich sage, was ich von einem Werk halte. Diesmal bringe ich es zu Beginn hinter mich, da haben wir auch gleich einen Einstieg. „Die Musik auf den Dächern“ von Selim Özdoğan versammelt herausragende Kurzgeschichten, die oberflächliche Einfachheit mit erzählerischer Komplexität vereinen, ohne dadurch „schwer“ zu werden. Keine Spielereien, sondern die klassische Form der Kurzgeschichte in ihrem äußersten Potential genutzt. In den jeweils besten Momenten durchaus auf Höhe mit dem jungen Joyce, mit Stephen Crane, oder Alice Munro in ihren jeweils besten Momenten (Katherine Mansfield bleibt unerreicht).

Man nehme nur die Erzählung „Ein geheimer Akkord“, die anhebt wie ein Text, in dem jemand sein psychisches Problem sozusagen in einem vorgestellten Hasen konkretisiert, den er auf der Schulter sitzen hat und der sein Leben kommentiert. Nicht total neu, doch der Einstieg eröffnet schon eine kleine Welt:

“Nach zwölf Jahren ist der Hase verschwunden. Das erste Mal habe ich ihn etwa einen Monat nach dem Tod meines Vaters bemerkt. Da hatte meine Mutter noch keine Depressionen und ich war noch nicht im Internat. Zuerst konnte ich nur seine Bewegungen spüren , hinter der Stirn, an den Schläfen , im Hinterkopf, über dem Gaumen, ich fühlte ihn hoppeln , aber ich begriff noch nicht so richtig, was das bedeutete. Eines Morgens wusste ich mit dem Erwachen, dass es ein Hase war. Ich habe ihm all die Jahre nie einen Namen gegeben, obwohl wir viel Zeit miteinander verbracht haben. – Kopfkino, sagte er. Deswegen bin ich hier.”

Doch das psychische Problem kann nicht die Geschichte sein, wir erfahren ja gleich: es ist weitestgehend überwunden oder soll das zumindest sein. Stattdessen lenkt eine Indienreise und dort das Treffen mit einem indischen Germanisten, der sich Deutsch allein aus Büchern beigebracht hat, den Blick auf Armin Ratkhan, den Vater des Protagonisten. Einen erfolgreichen Schriftsteller, von dem gesagt wird:

“Wenn die Leute erzählen, ist Armin Ratkhan der jung verstorbene deutsche Schriftsteller, der gerade mal zweiundzwanzig war, als sein Roman Pupillen größer als die Nacht herauskam. Wenn die Leute erzählen, ist er ein Shootingstar in der deutschen Literatur, dessen Roman das Leben der Digital Natives mit einer analogen Menschlichkeit und Wärme vereint und dessen Visionen von Zusammenhalt und Verbundenheit viel tiefer gehen, als das einfache Setting des Buches vermuten lässt. So verschwurbelt klingt das Lob häufig. Einfach klasse sagt kaum jemand. Chips und Ben & Jerry’s, Sofa, bestes Kopfkino,”

So schleicht sich ein Hauch von Borges in die Geschichte. So wenig wir de facto über das Werk wissen, so stark gelingt es Özdoğan, eine Vorstellung davon zu vermitteln und den Drang, dieses doch eigentlich lesen zu wollen. Nun folgte eine neue Wendung: Der früh verstorbene Kultschriftsteller hat dem Deutschen Literaturinstitut eine Festplatte vermacht. Dreister Weise: verschlüsselt. Doch der indische Germanist glaubt, das Passwort knacken zu können. Mit dem unbestreitbaren Vorteil, auf das Gedächtnis des Sohnes zugreifen zu können, gelingt es. Am Anfang sind es am Rande nicht jugendfreie Videos und ein paar böse Briefe, die die Literaturwelt beschäftigen. Und dann die Enthüllung. Mailwechsel legen nahe, dass der berühmte Schriftsteller sich die Rohtexte seiner Romane von einer zurückgezogen lebenden renommierten Literaturkritikerin hat schreiben lassen und denen dann nur den tonalen Spin verliehen. Ein Skandal. Der Star, der natürlich andererseits vor allem aufgrund dieses tonalen Spins verehrt wurde, ein Hochstapler? Der Sohn aber ist unsicher: Einerseits, warum werden die Indizien so rasch zur größtmöglichsten Ungunst des Vaters ausgelegt? Und andererseits: War es zB im Fall von Elvis nicht auch dessen Stimme, dessen Interpretation, die das Werk zu seinem machte und nicht die von unzähligen Autoren verfassten Texte?

Derweil fügt sich in dem kurzen Text, der schon einer der längeren im Buch ist, alles zusammen. Die Begeisterung für Leonard Cohen, die der Erzähler am Anfang äußert, verrät uns später gleich zweimal Wichtiges über das Verhältnis zum Vater. Der Schlusssatz erklärt uns den etwas kryptischen Titel, und das Verhältnis zum eigenen Hasen auf der Schulter beleuchtet, wie der Blick des Protagonisten auf andere Menschen sich ändert. Das Thema Migration ist dabei in vielen der Texten ähnlich subtil präsent, wie in diesem. Nicht als alles bestimmendes Vordergrundthema, aber in diesem Fall etwa durchaus als etwas, um das man nicht herum kommt, wenn man sich fragt ob die Bewertung der Autorenschaft des Vaters nicht durchaus anders ausgesehen haben könnte, hätte der Thomas Müller oder sonst wie geheißen.

Ich denke ich belasse es dabei, diese eine Erzählung zu besprechen. Noch mehrere Texte im Buch sind ähnlich stark gebaut. Etwa der Auftakt „Alles fängt mit A an“, in dem die Erzählerin darüber nachdenkt, warum der junge Cenk noch immer nicht deutsch spricht, darüber, was es heißt, dass die Mehrheitsgesellschaft sagt: Er spricht überhaupt nicht , während derweil in kurzen Dialogen mit Freunden und meisterhaft eingeschalten, oft aus nur einer bis wenigen Zeilen bestehenden Rückblenden, ein größerer Kosmos zwischen Deutschland, Usbekistan und der Türkei aufgespannt wird, den diese auf so wenigen Seiten skizzierten Figuren überzeugend bevölkern.

Ja, auch dieser Kurzgeschichtenband enthält schwächere Texte und einiges, was eher anekdotisch wirkt. Doch es sind gleich einige richtig starke Texte dabei, und das ist schon selten genug. Und einiges des eher Anekdotischen ist noch immer so klug formuliert und arrangiert, dass man von Kleinoden einer erzählerischen Essayistik sprechen könnte.
Überhaupt ist denen, die Literatur um der Masse Willen kaufen, doch nicht mehr zu helfen. „Die Musik auf den Dächern“ ist große Literatur, und dabei an der Oberfläche so einfach, dass es praktisch keine Hürden für „ungeübte“ Leserinnen und Leser gibt. Umso trauriger, dass kurze Texte in vielen Fällen solch eine Aversion auslösen. Was? Für Kurzgeschichten oder Erzählungen unter 100 Seiten Geld ausgeben? Am Ende noch genauso viel wie für die tausend Seiten Stephen King? Aber es ist ja eigentlich auch verständlich… Wer äße nicht lieber zwei Kilogramm Knäckebrot (und ohne Belag bitte!) als ein oder zwei exquisite Pralinen?

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