Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt

Roman

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Erscheinungstermin 05.08.2017 | Archivierungsdatum 12.01.2018

Zum Inhalt

Jakub Procházka, erster Raumfahrer der tschechischen Geschichte, träumt davon, seinem Land Ruhm und Ehre zu bringen. Doch nach dreizehn einsamen Wochen im All beginnen Jakubs Sinne verrückt zu spielen. Als dann auch noch seine Frau mit ihm Schluss macht, nimmt die Mission einen ungeahnten Lauf. April 2018: Die JanHus 1, das erste Raumschiff in der tschechischen Geschichte, erhebt sich in den Himmel. Eine ganze Nation ist auf den Beinen, um den Start vom staatseigenen Kartoffelacker aus mitzuverfolgen. Die Besatzung besteht aus einem einzigen Raumfahrer: Jakub Procházka, Spross einer Kollaborateursfamilie und Professor für Astrophysik mit einschlägiger Erfahrung in der Erforschung interstellaren Staubs. Nach dreizehn eintönigen Wochen im All ist der Forscherdrang Jakubs jedoch beinahe erloschen. Einziger Lichtblick sind die wöchentlichen Video-Chats mit seiner Frau Lenka. Doch als die ihn verlässt, gerät Jakubs Leben im Orbit in Schieflage. Und als wäre das nicht genug, schleicht sich auch noch ein haariger, achtbeiniger Mitbewohner in Jakubs Raumschiff ein. Jaroslav Kalfars Debüt ist verrrückt und voll überbordender Phantasie, dabei romantisch und ein klein wenig philosophisch.

Jakub Procházka, erster Raumfahrer der tschechischen Geschichte, träumt davon, seinem Land Ruhm und Ehre zu bringen. Doch nach dreizehn einsamen Wochen im All beginnen Jakubs Sinne verrückt zu...


Verfügbare Ausgaben

AUSGABE Anderes Format
ISBN 9783608503777
PREIS 22,70 € (EUR)
SEITEN 368

Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Die Welt steht kurz vor einer Katastrophe: die Chopra Wolke nähert sich und wie gefährlich sie wirklich ist, scheint kaum absehbar. Ein Flug mit einem Affen zu ihr war erfolgreich und nun muss eine bemannte Raumsonde sich dem Phänomen nähern und es untersuchen. Ausgerechnet Tschechien wird diese Mission unternehmen. Das kleine Land sieht seine Chance für internationalen Ruhm gekommen und Jakub Procházka soll Böhmen in dieser schwierigen Unternehmung vertreten. So richtig geeignet ist er mit seinem labilen Magen nicht, aber die Aussicht auf Berühmtheit ist verlockend. Nur wenige Wochen nach Anbruch der achtmonatigen Reise ins Ungewisse gerät jedoch Jakubs Welt aus der Ferne aus den Fugen: seine Frau Lenka verlässt ihn völlig unerwartet und verweigert den Kontakt. Einsam fern des Heimatplaneten beginnt Jakub zu phantasieren und philosophische Gespräche mit außerirdischen Wesen zu führen. Mit dem Eintritt in die Wolke scheint jedoch sein Schicksal besiegelt: das Raumschiff ist der Materie nicht gewachsen und Jakub wird wohl für sein Land sein Leben geben müssen.

Schon der Titel des Romans weckt ob der Kuriosität das Interesse, kopiert er einerseits die typischen Sachbuchtitel und ruft doch sofort ungläubiges Stutzen hervor: Böhmen? Raumfahrt? Was soll dieser Unfug denn? Und es ist ein herrlicher Unfug, den Jaroslav Kalfar da verfasst hat. Sein Protagonist Jakub ist ein etwas kauziger Astronaut, der mit der ebenfalls leicht verschrobenen Lenka eine passende Partnerin gefunden zu haben scheint. Auch das außerirdische Wesen, von Jakub Hanuš getauft und sein einziger Begleiter und Gesprächspartner, ist ein interessanter Charakter, der die Welt und ihre Bewohner mit einem herrlich neugierig-distanzierten Blick beobachtet und versucht diese Spezies zu verstehen.

Vor diesem kuriosen Hintergrund breitet Kalfař jedoch noch eine ganz andere Geschichte aus, die dem Buch eine ungeahnte Tiefe verleiht. Jakubs Vater war einst als Diener des einst kommunistischen Staates für Folterungen zahlreicher Mitmenschen verantwortlich. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks erlebt die Familie einen Umschwung: jahrelang haben sie finanziell von der Position profitiert, doch nun werden sie verachtet und bedroht. Der kleine Jakub wird Opfer nicht nur von verbalen Beschimpfungen, sondern auch von Angriffen, die ihn schwer verletzten. Ein auf Rache sinnender Mann vertreibt die Großeltern gar aus ihrem Haus, das sie jahrzehntelang bewohnten. Dies hinterlässt Spuren und Jakub ist vermutlich repräsentativ für eine ganze Generation von Kindern, die den Umbruch erlebten und die in unterschiedlicher Weise Verantwortung tragen müssen für Dinge, die ihre Eltern getan hatten.

Die Beziehung zwischen Lenka und Jakub ist ebenfalls interessant zu beobachten. Auch wenn hier ein extremer Ausnahmefall geschildert wird, bleibt die Grundkonstellation doch ein tagtägliches Phänomen: der Mann macht Karriere und die Frau muss alle damit verbundenen Entbehrungen ungefragt ertragen. Lenka hatte keine Wahl, sie durfte noch nicht einmal eine Meinung haben und nun steht sie allein zurückgelassen auf der Erde. Ich fand ihren Einwand im Gespräch mit Dr. Kuřák, dass eine Ehe ein Vertrag darüber sei, dass man das Leben gemeinsam meistern wolle und dann nicht einfach einer abhauen kann, durchaus nachvollziehbar und richtig. Ihre Rolle als Penelope, die als treue Ehefrau die Hände in den Schoß legen und auf die Rückkehr des Mannes warten muss, lehnt sie zurecht ab und folgt so dem Vorbild moderner Frauen.

All dies wird in einem charmanten Ton erzählt. Kalfar und die Übersetzerin Barbara Heller finden Formulierungen, die einem immer wieder schmunzeln lassen. Vor allem Hanuš werden wunderbare Beobachtungen in den Mund gelegt:
„Wenn du mich fragst, stehen die soziokulturellen Rituale deiner Gesellschaft im Widerspruch zur biologischen Realität.“ oder
„Das kardiovaskuläre Organ, das deine biologischen Funktionen steuert, löst unregelmäßige Vibrationen aus – ein schlechtes Zeichen, nehme ich an.“

Ganz nebenbei wird auch noch die Geschichte des tschechischen Nationalheiligen Jan Hus erzählt, die unerwartete parallelen mit Jakub aufweisen wird und so einem breiten Publikum auch außerhalb des kleinen Nachbarlandes bekannt wird.

Ein überraschend vielschichtiger Roman, der jedoch vor allem durch den lockeren, bisweilen fast ironischen Ton zu einer unterhaltsamen Lektüre wird.

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Ein neugieriges, philsophierendes, spinnenartiges Wesen trifft auf einen dünnen Menschen in der Nähe des Planeten Venus. Dieser Roman ist was für alle Abenteuerer, Nachdenker und In-Sich-Rein-Schmunzler. Auf jeden Fall eines meiner Lieblingsbücher 2017.

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Um seltsame Veränderungen am Nachthimmel zu untersuchen, noch vor den großen Raumfahrtnationen, preschen die Tschechen vor. Mit Jakob Prochazka schicken sie 2018 ihren ersten Astronauten ins All, bewaffnet mit viel technischem Schnickschnack, reichlich Nutella und literweise Wodka. Und einem ungewöhnlichen blinden Passagier an Bord... Der tschechisch-amerikanische Autor Jaroslav Kalfar ist eine wirkliche Entdeckung. Sein so skurriles wie intelligentes Debüt ist eine herrliche Mischung aus Science Fiction, Philosophiestunde, Familiendrama und Heimatroman.

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Der Titel und das Cover haben mich gleich angesprochen. Ich erwartete eine etwas abgefahrene, osteuropäische Geschichte. Daran dass der Autor schon seit seiner Jugend in den USA lebt, soll das auch nicht unbedingt scheitern. Es fing auch vielversprechend an: eine ganz schön absurde Geschichte, die in einer sehr nahen Zukunft angesiedelt ist. Tschechien schickt das erste Mal ein Raumschiff los, besetzt mit nur einem Astronauten. Klar, dass der irgendwann spinnt.

Es war aber selten witzig und auch nicht so absurd, locker und abgefahren, wie ich erwartet (gehofft?) hatte. Das Buch von Jaroslav Kalfař ist oft eher nachdenklich und arbeitet zudem die böhmisch-tschechische Geschichte auf: von Jan Hus über die Wende bis zur Jetzt-Zeit. Der Ich-Erzähler arbeitet in der Einsamkeit des Weltalls seine persönliche (Familien-)Geschichte - wenn nicht sogar die jüngere Geschichte seines ganzen Landes - auf. Das ist zwar interessant, wirkt auf mich aber manchmal etwas lang und schwermütig. Verpackt ist das vom Autor (und Übersetzerin) aber in eine flüssige, gut zu lesende Sprache.

Das Buch war nicht schlecht (keinesfalls!), aber ich hatte etwas anderes erwartet und vielleicht auch deshalb hatte das Buch für mich zwischendurch Längen.
Wenn man sich nicht auf eine phantastievolle Raumfahrtgeschichte einstellt, sondern auf eine Aufarbeitung der neueren tschechischen Geschichte, wird man gut und durchaus ungewöhnlich unterhalten.

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Jakub Procházka ist ein geachteter Astrophysiker, mit seiner großen Liebe Lenka verheiratet und kinderlos. Die beiden leben ein relativ unauffälliges Leben, bis Jakub eines Tages eine Einladung von Senator Tůma erhält: Der Politiker bietet ihm an, mit einer Ein-Mann-Rakete eine kosmische Staubwolke, die den Namen "Chopra" erhalten hat, zu erforschen. Etliche Staaten überlegen bereits, eigene Missionen ins All zu schicken, aber Tschechien ist das erste Land, das sich aus der Deckung wagt: Jakub soll der Nation zu großartigem wissenschaftlichen Ruhm verhelfen, indem er sich auf eine achtmonatige Reise in einer von der Schweiz ausgemusterten Rakete begibt. JanHus1 wird das Raumschiff getauft, nach dem böhmischen Theologen und Reformator, der im 15. Jahrhundert gelebt hat. Hiermit beginnt "Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt" des tschechisch-amerikanischen Autors Jaroslav Kalfař.

Das Gefühl der (Mit-) Schuld bleibt ein Leben lang


In Jakubs Kindheitsrinnerungen befinden sich Schatten: Sein Vater ist ein ranghohes Parteimitglied gewesen, dessen Aufgabe beim Geheimdienst es war, Verdächtige bei Verhören zu foltern. Mit dem Einsetzen der Samtenen Revolution 1989 und der Abkehr vom Kommunismus schlug ihm und seiner Familie die geballte Ablehnung der Mitmenschen entgegen. Doch bevor es zum Prozess gegen den linientreuen Parteigänger kommen konnte, verunglückte er 1990 zusammen mit Jakubs Mutter tödlich. Zu diesem Zeitpunkt war Jakub zehn Jahre alt und wuchs von da an bei seinen Großeltern auf. Seit damals versucht er, mit den widerstreitenden Gefühlen für seinen Vater umzugehen: Einerseits fühlt er stellvertretend dessen Schuld, andererseits liebt er ihn, weil er sein Vater ist. Die Schuldgefühle treiben ihn an, etwas Herausragendes für sein Land zu tun, damit die Schuld seines Vaters kleiner oder sogar gelöscht und der Name Procházka nicht nur mit Gewalt verbunden wird. Dafür stimmt er zu, als Astronaut für die Chopra-Mission zur Verfügung zu stehen, obwohl ihm bewusst ist, dass er damit seine Ehe riskiert.

Das All: unendliche Weiten und ein Reisebegleiter

Im April 2018 startet die JanHus1 mit Jakub von einem böhmischen Kartoffelacker in den Weltraum. Auf dieser Mission nimmt Jakub drei Rollen ein: die des Wissenschaftlers, des Nationalhelden und des Privatmanns. Der Wissenschaftler freut sich darauf, etwas erforschen zu können, das noch nie zuvor da war; der Nationalheld muss sich erst noch in die Erwartungen, die an ihn gestellt werden, hineinfinden und der private Jakub Procházka wird von seiner Frau verlassen. Doch es passiert noch mehr: Jakub bekommt ungebetenen Besuch von einem sprechenden spinnenähnlichen Wesen, dem er den Namen Hanuš nach dem legendären tschechischen Uhrmacher gibt. Hanuš ist verfressen und macht sich über Jakubs Nutella-Vorräte her. Nachdem sich Jakub an die Eigenheiten seines Gastes mit seinen 34 Augen gewöhnt hat, ist er ihm ein guter Gesprächspartner. Doch als JanHus1 in die Chopra-Wolke eindringt, stellt Jakub fest, dass sie eine eigene Schwerkraft besitzt: Das Raumschiff wird in die Wolke hineingezogen, der Staub dringt durch alle Ritzen und frisst sämtliche Kabel an. Als die Sauerstoffversorgung ausfällt, ist das sein Todesurteil. Doch auch wenn Tůma, der inzwischen zum Präsidenten Tschechiens aufgestiegen ist, eine Staatstrauer anordnet und die Errichtung eines Procházka-Denkmals auf dem Prager Karlsplatz in Auftrag gibt, ist die Geschichte hier noch nicht zu Ende.


Wie war's?

"Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt" beginnt mit einem humorvollen Unterton, um in der zweiten Hälfte nachdenklich zu werden. Die Frage, warum ausgerechnet Jakub Procházka, der sich mit dem Weltall bislang nur theoretisch beschäftigt hat, zum Astronauten für eine Mission, die Tschechien wissenschaftlich und wirtschaftlich einen großen Schritt nach vorn bringen soll, ausgewählt wird, wird erst spät beantwortet und hat mehr mit menschlichen Untiefen als mit vorausschauender Planung zu tun. Das Zentrum des Buches ist die Frage nach der Schuld: Ist es richtig, dass für die Fehler eines Menschen dessen ganze Familie büßen muss? Und: Müssen sich die Angehörigen eines nahen Verwandten für dessen Gewalttaten mitschuldig fühlen? Diese Fragen muss sich jeder, der sich in einer ähnlichen Lage befindet, selbst beantworten. Der Roman tut dies nicht.

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