Long Island

Mit seinem neuen Roman "Long Island" stellt Colm Toibin erneut sein Können als Erzähler subtiler zwischenmenschlicher Beziehungen unter Beweis.
Eilis kehrt nach zwanzig Jahren zurück in ihre irische Heimatstadt. Verärgert über die Haltung ihres Ehemanns Tony, der sein uneheliches Kind in die Familie bringen will, reist sie ab, ohne zu wissen, ob sie jemals zurückkommen wird. Zu Hause trifft sie auf ihre einstige Liebe Jim, der bereit ist, alles für sie aufzugeben. Es beginnt ein Versteckspiel, indem keiner der beiden seine Karten offen auf den Tisch legt, immer darauf bedacht, vor der eigenen, die Entscheidung des anderen abzuwarten. Sowohl Eilis, als auch Jim haben ein Leben und spielen gedanklich immer wieder die Möglichkeit durch, dieses hinter sich zu lassen und neu zu beginnen.
Spannend und psychologisch klug gemacht, lässt Toibin seine beiden Protagonisten umeinander herumschleichen und gewährt uns durch die sehr detaillierte Innensicht der Figuren Einblick in ihre Gefühlswelt. Die Handlung ist äußert knapp bemessen, die Dialoge nur auf das Nötigste beschränkt. Das Meiste in diesem Roman spielt sich tatsächlich in den Gedanken der Charaktere ab. Eine intensive und bewegende Lektüre!

Eilis Lacey hatte vor mehr als 20 Jahren ihre Heimat Irland verlassen und lebt seitdem mit ihrem italienisch stämmigen Ehemann
Tony und den beiden Kindern Larry und Rosella in Amerika. Eines Tages steht ein Unbekannter vor ihrer Tür, der ihr mitteilt, dass
Tony nicht nur ein guter Klempner sei, er sei auch so gut im Rohre verlegen, dass eine seiner Auftraggeberinnen demnächst ein
Kind von ihm erwarte. Noch ungeheuerlicher wird es für Eilis, als Tony vorschlägt, das Kind in ihrer Familie großzuziehen.
Eilis beschließt, erstmal zu flüchten, der bevorstehende Geburtstag ihrer Mutter ist ein willkommener Anlass, um mit ihren
Kindern nach Irland zu reisen.
Dort trifft sie nach den vielen Jahren wieder auf ihre Jugendliebe Jim Farrell, der gerade seine Heirat mit Nancy Sheridan,
einer ehemals guten Freundin von Eilis, plant.
Es stehen schwierige Entscheidungen für alle Beteiligten an.

Eilis, noch geschockt von der Nachricht, weiß im Moment noch nicht, wie sie reagieren soll, außer einen vollbeladenen Essens-
teller vor den Füssen Tonys auszukippen.aber ist sich sicher, dass sie nie etwas mit dem Kind zu tun haben möchte. Mit dieser
Sicherheit verbringt sie die Zeit in Irland, um dort noch mehr Unsicherheiten ausgesetzt zu sein.
Auch Jim Farrell, der irische Pub Betreiber, der die ganzen Jahre alleine gelebt hat, kann sich nicht entscheiden, den Plan Nancy
zu heiraten, schon preiszugeben, genau wie Nancy, die erst die Hochzeit ihrer Tochter abwarten will. Auch das Vorhaben von
Nancy, einen Bungalow im Grünen zu erwerben, um mit Jim darin zu leben, unterliegt noch der strikten Geheimhaltung.
Und so lavieren alle Beteiligten umeinander herum und machen aus allem ein großes Geheimnis. Keiner redet Klartext, schon
gar nicht über die eigenen Gefühle. Selbst der Kauf neuer Geräte für ihre Mutter wird für Eilis zum Disaster, obwohl die alte Dame
dringend einen neuen Her, Waschmaschine und Kühlschrank brauchen kann, steht ihr der irische Stolz im Weg.
Faszinierend, wie die irische Mentalität mit all ihren Eigenarten, Ecken und Kanten von dem Autor so treffend und liebevoll
beschrieben wird. Vor allem Jim Farrell, dieser etwas kauzige Pub Betreiber, der Mann am Tresen, der "weiß, dass er nicht mehr
trinken soll, gleichzeitig aber wild entschlossen ist, weiterzumachen" und der die Entscheidungen über sein Leben gerne in die
Hände der Frauen legen würde.
Auch Eilis mit ihrer Unentschlossenheit, aber mit der Sicherheit, dass sie in ein paar Monaten bessere Ideen hätte.

Ein Roman zum hinknien und steckenbleiben. Ein unglaublich schöner Sprachstil und eine Geschichte, die den Leser tief eintauchen
läßt in die irische Mentalität. Und eine Geschichte über die Schwierigkeit endgültige Entscheidungen zu treffen.

Ganz besonders und ganz großartig!