
Bewältigung
Roman
von Feridun Zaimoglu
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Erscheinungstermin 08.09.2022 | Archivierungsdatum 01.04.2023

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Zum Inhalt
Wo kippt Recherche in Obsession? Wann beginnt Kunst toxisch zu werden für ihren »Schöpfer«? Und gibt es Stoffe oder Themen, die sich der literarischen Bewältigung entziehen, weil sie zu giftig sind? Feridun Zaimoglu hat einen virtuosen Künstlerroman geschrieben über jemanden, der sich vornimmt, Adolf Hitler zum Protagonisten seines neuen Buches zu machen.
Zu Beginn scheint es eine normale Vorarbeit zu sein, eine schwierige zwar, aber keine unvertraute. Denn Schreiben bedeutet immer Anverwandlung, eine Nähe zum Material ist absolut notwendig. Was aber, wenn das Material sich nicht bewältigen lässt und beginnt, ein zerstörerisches Eigenleben zu führen? Die Recherchereise des Autors an »Schauplätze« Hitlers, führt ihn immer tiefer hinein in die Gedankenwelt seines Protagonisten. Die Bayreuther Festspiele, München, Obersalzberg: ein surrealer Fiebertraum.
Doch es ist auch eine Reise zurück in der Zeit, in seine Jugend in die Stadt Dachau Mitte der 1980er, wo er zur Schule ging nicht weit von der Stelle, wo die Nationalsozialisten 1933 das erste KZ errichteten. In Kiel, an seiner Schreibmaschine, versucht er seine Figur literarisch zu entfesseln und zugleich zu bannen. Und verliert Schritt für Schritt die Kontrolle über sein Projekt und mehr und mehr auch sich selbst.
Wo kippt Recherche in Obsession? Wann beginnt Kunst toxisch zu werden für ihren »Schöpfer«? Und gibt es Stoffe oder Themen, die sich der literarischen Bewältigung entziehen, weil sie zu giftig sind?...
Verfügbare Ausgaben
AUSGABE | Anderes Format |
ISBN | 9783462003482 |
PREIS | 24,00 € (EUR) |
SEITEN | 272 |
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Rezensionen der NetGalley-Mitglieder

Ein Autor schreibt an einem Roman über Hitler. Für Recherchezwecke reist er zu unterschiedlichen Plätzen, an denen Hitler einst wirkte. Seine kritische Distanz zur Figur Hitlers kommt immer mehr ins Wanken. Auch reist der Schriftsteller während des Prozesses in seine eigene Vergangenheit.
Der Text währt leider eine gewisse Distanz, die ein Eintauchen in die Geschichte eher erschwert.

„Bewältigung“ von Feridun Zaimoglu ist eines dieser Bücher, bei denen man tatsächlich einmal den Klappentext (s.o.) heranziehen kann, um sich die Inhaltsangabe zu sparen (wir ignorieren einmal das wertende „furios“).
Wirklich, warum sind nicht mehr Klappentexte so? Warum muss ich bei zahlreichen Rezensionen erst einmal die vielen Falschbehauptungen im Klappentext richtigstellen?
Nun denn. Man sieht: Dieser Roman ist ein vertracktes Unterfangen. Kann man überhaupt über Hitler schreiben? Wenn man kann, darf man das? Welche literarische Form wäre dem angemessen? Sollte ich? Was macht das mit mir? Und warum zur Hölle noch mal will ich das eigentlich? Das sind die Fragen, mit denen der Ich-Erzähle von „Bewältigung“ über die 200 Seiten des Romans ringt, während er grob chronologisch, doch mit einigen Sprüngen, die die Parallelität von Reisen und Nachdenken mit sich bringt, Hitlers Lebensweg von der Jugend bis zur Selbsttötung verfolgt.
Dabei enthält der Roman durchaus immer wieder interessante Gedanken, etwa zur notwendigen Totalität der ernsthaften Kunstproduktion und der entsprechend großen Gefahr, wenn Kunst meint, politisch werden zu müssen. Nicht im Sinne von Kunst, die einfach über Politik predigt, sondern im Sinne einer Ästhetisierung des Gesellschaftlichen, einer Übertragung des künstlerischen Kompositionsprinzips auf ein politisches System. Neu ist das nicht, es liegt schon Manns „Bruder Hitler“-Aufsatz, seinem Essay über Nietzsche und den dort und im Doktor Faustus entfalteten Überlegungen zur Inneren Nähe von Ästhetizismus und Barbarei zugrunde, aber es muss in einem Roman über einen gescheiterten Künstler, der zum Diktator und Massenmörder wird, oder wie der Erzähler irgendwann immer wieder sagt, zum „Menschenschwein“, natürlich vorkommen.
Auch gelingt dem Roman die Vermenschlichung Hitlers erschreckend gut. Durch den Erzähler, der sich so obsessiv in seine Figur hineinversetzt, dass es immer wieder zu Passagen kommt, in denen man erst auseinanderklabüstern muss, wer eigentlich gerade erzählt, Hitler in den Romanfragmenten des Erzählers oder der Erzähler auf seiner Reise, lässt sich relativ gut und durchaus empathisch nachvollziehen, wie einer, der sich für übervorteilt und zu kurz gekommen hält und das in einigen Bereichen vielleicht auch war, in einer Zeit, in der viele solche Menschen unterwegs sind, in der Gewalt sich durch die Familien zieht und Antisemitismus eine längst virulente Ideologie ist, die nur noch geschickt bespielt werden muss, zum „Monster“ Hitler werden kann. Und gleichzeitig gelingt es dem Roman auf der anderen Seite, noch zu schockieren und erschrecken zu machen vor der Unmenschlichkeit, was nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit ist angesichts der Art und Weise, wie ritualisiert man sich im Rahmen der Vergangenheitsbewältigung diesem Schrecken immer wieder in einer allerdings seltsam unangemessen wirkenden distanzierten Weise aussetzt. So dass meines Erachtens, auch wenn die aufgeworfenen Fragen (kann man das/darf man das und so weiter) durchaus valide sind und im Roman nicht vom Tisch gewischt werden, die Seite der Vermenschlichung wohl nicht als negativ betrachtet werden kann: Denn sie bereitet auch die Lesenden vor, wieder als Mensch zu erschrecken und nicht als Vergangenheitsbewältigungritual ein bisschen traurig zu schauen und wissend zu nicken.
Und dennoch findet der Roman nicht wirklich Antworten auf die oben aufgeworfenen Fragen, bzw: der Erzähler findet für sich Antworten und entscheidet, den Roman zu schreiben, aber angesichts der Pläne können wir nicht davon ausgehen, dass das der Roman ist, den wir gerade lesen. Also genauer noch mal: der Erzähler findet Antworten, der Roman findet sie nicht. Das mag durchaus auch daran liegen, dass zwar mehrfach damit gerungen wird, welche literarische Form einem solchen Roman eigentlich angemessen wäre, aber das Ergebnis, trotz einiger intensiver Momente, und dem zeitweisen Verschmelzen der Erzählerfigur mit seiner Figur Hitler, „Bewältigung“ letztendlich doch ein formal in keiner Weise ungewöhnlicher Roman ist. Es ist, mal wieder, ein Recherche-Roman. Also das, was die deutsche Hochliteratur seit einigen Jahren sowieso schon stark dominiert. Ich habe das Gefühl, über meine Figuren nicht direkt schreiben zu können, sei es, weil es irgendein Tabu gibt, sei es, weil ich insgesamt davon ausgehe, dass man eigentlich überhaupt nicht mehr unmittelbar über irgendwelche Figuren schreiben kann, also schreibe ich über eine Figur, die über die Figur recherchiert und das ist dann praktisch der Roman. Das ist die gleiche Art und Weise, wie über Eltern, Großeltern, Künstlerinnen und Künstler und historische Figuren, meist eher solche, die es erst zu entdecken gibt, geschrieben wird. Und das soll dann Ergebnis der Frage sein, die sich der Erzähler stellt: „Kann und wie kann man über Hitler schreiben?“ Das überzeugt mich nicht wirklich.
Inhaltlich bietet der Text zudem wenig Neues, wer sich mit Hitler bzw. Nationalsozialismus auskennt, muss den Text also vor allem für die Form lesen, wer sich dagegen nicht auskennt, dürfte hoffnungslos verloren sein zwischen Kunstschule, Schützengräben und den Wirren der Münchner Räterepublik. Also: „Bewältigung“ – Mit Sicherheit ein interessanter Roman, Aber vielleicht nicht wirklich auch ein rundum gelungener.
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