Rezension

Cover: Der Tod und das dunkle Meer

Der Tod und das dunkle Meer

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Rezension von

Sebastian B, Rezensent*in

Schon in seinem Debütroman “Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle” hat Stuart Turton demonstriert, dass er sich offenbar ungern von fest definierten Genres einschränken lässt, und auch in “Der Tod und das dunkle Meer” bleibt der Brite dieser Linie treu. Dabei beginnt die Geschichte zunächst als vermeintlich historischer Roman, der seinen Anfang im Jahr 1634 in der unter niederländischer Kontrolle stehenden indonesischen Stadt Batavia – dem heutigen Jakarta – findet.

Dort steht die “Saardam”, ein Schiff der Niederländischen Ostindien-Kompanie, kurz vor dem Aufbruch nach Amsterdam, um Gewürze und andere Kostbarkeiten aus der Kolonie in die Heimat zu bringen. Die noch viel wertvollere Fracht dürfte aber Batavias mächtiger Generalgouverneur Jan Haan sein, der mit Ehefrau, Tochter und Gefolge ebenfalls die lange und höchst gefährliche Reise antritt. Diese steht jedoch schon vor dem Auslaufen des Schiffes unter keinem guten Stern, denn noch im Hafen kommt es zu einem verstörenden Todesfall und es halten sich fortan hartnäckig die Gerüchte, dass auch der Teufel höchstselbst sich an Bord der “Saardam” eingeschlichen hätte.

Da sollte es vermeintlich für Beruhigung sorgen, einen berühmt-berüchtigten Detektiv wie Samuel Pipps und dessen Assistenten, Leibwächter und Freund Arent Hayes mit unter den Passagieren zu haben, doch nachdem Pipps kurz zuvor noch einen wichtigen Auftrag für die Niederländische Ostindien-Kompanie ruhmvoll erledigt hatte, findet er sich nun als Gefangener auf der “Saardam” wieder, auf den in Amsterdam sogar die Hinrichtung wartet.

Warum dem so ist, darüber lässt Stuart Turton sein Publikum jedoch zunächst ebenso im Unklaren wie über viele andere rätselhafte Dinge, die auch nach Auslaufen des Schiffs für eine immer größere Beunruhigung an Bord sorgen. Liegt tatsächlich ein tödlicher Fluch auf der “Saardam”, oder gibt es eine rationale Erklärung für die sich häufenden seltsamen Geschehnisse? Damit stellt sich auch für die Lesenden die Frage, womit man es hier eigentlich genau zu tun hat – ist es ein historisch geprägtes Abenteuer in der Tradition berühmter Klassiker auf hoher See? Ein ideenreicher Fantasy-Roman mit unheimlichen Horror-Elementen? Oder doch eher ein Detektivroman im Stil von Sir Arthur Conan Doyle mit Samuel Pipps und Arent Hayes als Neuinterpretation von Sherlock Holmes und Dr. John Watson?

Die Antwort darauf lautet: “Der Tod und das dunkle Meer” ist alles davon, und vielleicht sogar noch ein wenig mehr. Auch wenn das Buch vom Verlag schlicht als Kriminalroman beworben wird, ist hier eigentlich für jede:n etwas dabei, und so vergehen die immerhin knapp über 600 Seiten meist wie im Flug – von kleineren Längen im Mittelteil einmal abgesehen. Hinter jeder Ecke des immer näher auf eine Katastrophe zusteuernden Schiffes lauert eine neue Überraschung, die Charaktere sind vielseitig, vielschichtig und fast durchweg auf jeweils individuelle Weise interessant und die düster-bedrohliche Atmosphäre nimmt einen direkt von Beginn der unheilvollen Reise in Beschlag. Zwar legt der Autor bei seinem Spektakel auf hoher See keinen allzu großen Wert auf akribischen Realismus oder historische Korrektheit, diese erzählerische Freiheit ist der Geschichte jedoch überwiegend zuträglich. Im Vergleich zu seinem ebenso ambitionierten, aber letztlich zu verworrenen Debütroman verstrickt sich Stuart Turton hier auch nicht in seinem komplexen Handlungsgeflecht, sondern bringt sein launiges Abenteuer zu einem überzeugenden und verblüffenden Abschluss. Ein aufregendes Lese-Spektakel, das sich über alle Genre-Grenzen hinwegsetzt und welches große Lust auf eine Fortsetzung macht.

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