Rezension

Cover: P.S. Morgen bist du tot

P.S. Morgen bist du tot

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Rezension von

Sebastian B, Rezensent*in

Ob Jugendabenteuer auf dem Mädcheninternat, Lehrling auf der Zaubereischule oder romantisches Uni-Drama – Geschichten mit schulischem bzw. akademischen Setting erfreuen sich mindestens seit den Werken von Enid Blyton Mitte des 20. Jahrhunderts großer Beliebtheit. In diese Sparte zielt auch „P. S. Morgen bist du tot“, der Debütroman der amerikanischen Autorin Vera Kurian – allerdings mit einem deutlich düstereren Hintergrund: denn die im Buch im Mittelpunkt stehende John Adams University in Washington ist hier im wahrsten Wortsinne eine Spielwiese von Psychopath:innen.

An dieser Universität wird nämlich neben dem normalen Lehrbetrieb eine revolutionäre klinische Studie durchgeführt, an der sieben ganz spezielle Studierende teilnehmen – denn bei allen Teilnehmern wurde eine Form von Psychopathie diagnostiziert. Eine davon ist Chloe Sevres, die vorrangige, aber nicht alleinige Hauptfigur dieses Romans. Allerdings hat sich Chloe in erster Linie aus eigenen Motiven zum Mitwirken in der Forschungsreihe bereiterklärt, denn sie hat es an der John Adams University auf ein ganz besonderes Ziel abgesehen: Will Bachman. Vor einigen Jahren hat jener Will nämlich für ein traumatisches Ereignis in Chloes Leben gesorgt und nun scheint für die Studentin endlich die Zeit der Rache gekommen: in sechzig Tagen nach Ankunft an der Uni will sie ihrem Kommilitonen für seine Tat das Leben nehmen.

Eigentlich kommt Vera Kurians Debütthriller mit einer erfrischenden Idee und einem explosiven Setting daher, denn ein Studienjahr auf engem Raum mit gleich sieben diagnostizierten Psychopath:innen, von denen eine bereits mörderische Absichten hegt, scheint ein hohes Maß an Spannung, Intrigen und Nervenkitzel zu versprechen. In der Praxis scheitert dieser Ansatz jedoch bereits früh an mehreren Schwachstellen, eine davon sind die Charaktere und insbesondere die Protagonistin dieser Geschichte. Natürlich sollte man bei einem Thriller mit sieben Psychopath:innen keine großen Sympathieträger:innen erwarten, Hauptfigur Chloe ist aber nicht nur ausgesprochen egoistisch und unsympathisch, sondern wird zugleich auch wahnsinnig eindimensional dargestellt: eiskalt, ohne Einfühlungsvermögen, nur an der eigenen Selbstdarstellung interessiert und äußerst manipulativ. Es sollte zwar nicht überraschen, dass die Protagonistin damit dem klassischen Serienkiller-Klischee entspricht, von einer Autorin mit einem Doktortitel in Sozialer Psychologie hätte man womöglich aber eine differenziertere und weniger oberflächliche Charakterisierung erwarten können. Nun sind zwar nicht alle Figuren dieser Geschichte so bösartig wie Chloe, dennoch überbieten sich diese förmlich an Belanglosigkeit und Eindimensionalität.

Leider floppt auch das akademische Setting, denn vom normalen Studienalltag der Beteiligten bekommt man als Leser:in ebenso wenig mit wie vom geheimnisvollen Psychopathie-Experiment, das vorrangig daraus besteht, dass die Probanden hin und wieder eine alberne Kurz-Umfrage zur aktuellen Stimmung auf ihren Smartwatches beantworten müssen – das war’s. Wie daraus bahnbrechende Erkenntnisse zum Verhalten von Psychopath:innen gezogen werden sollen, weiß wohl nur die Autorin selbst. Durch diese schlechte Ausarbeitung der Rahmenbedingungen fehlt „P. S. Morgen bist du tot“ fast völlig ein glaubwürdiger und authentischer Hintergrund, zudem will zu keinem Zeitpunkt eine einnehmende Atmosphäre mit einem gewissen Uni-Feeling aufkommen.

Bleibt noch die eigentliche Handlung, die zu keinem Zeitpunkt Spannung aufkommen lässt, weil ein durchgehender roter Faden fehlt und die einzelnen Story-Bausteine nicht gut miteinander verknüpft werden. So kocht jeder irgendwie sein eigenes Süppchen und trotz gelegentlicher Todesfälle wird kaum ein Interesse an der Aufklärung des Falls geweckt. Das ist schade, denn mit der guten Ausgangsidee hätte „P. S. Morgen bist du tot“ grundsätzlich ein aufregender Thriller werden können, eindimensionale Charaktere, ein vernachlässigtes und unglaubwürdiges Setting sowie der dünne Plot machen diesem jedoch leider einen dicken Strich durch die Rechnung.

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