Rezension

Cover: Der Blutkünstler

Der Blutkünstler

Erscheinungstermin:

Rezension von

Sebastian B, Rezensent*in

Ein vor lauter Blutgefäßen schier explodierendes Cover, der Titel in großen, fetten Buchstaben, Autorenname Chris Meyer – auf den ersten Blick könnte man fast den Eindruck gewinnen, man hätte es bei "Der Blutkünstler" mit einem typisch amerikanischen Thriller zu tun. Zwar wird nach dem Aufschlagen des Buches schnell offenbart, dass die Handlung mitten in Deutschland und rund um die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf spielt, dennoch bestärkt sich auch auf diesen ersten Seiten das Gefühl, dass Chris Meyer sich bei seinem Reihenauftakt schon etwas an den Kolleg*innen aus Übersee orientiert hat.

Das erste Indiz für diese Vermutung ist die recht explizite Gewaltdarstellung in diesem Thriller, denn bereits mit dem ersten geschilderten Mord setzt der Autor die Messlatte dafür recht hoch: eine Düsseldorfer Kunsthändlerin wird in ihrer eigenen Galerie mit langen Nägeln an eine Leinwand genagelt, das vor Blutspritzern nur so strotzende "Kunstwerk" wird gekrönt von ihrem gespaltenen Schädel und der ausgetretenen Hirnmasse. Wem es bei dieser Vorstellung schon den Magen umdreht, der sollte besser nicht zu dieser Lektüre greifen, denn es wird im Verlauf der Geschichte eher schlimmer als angenehmer.

Für die Hauptfigur ist dieser schlimme Anblick jedoch eher kalter Kaffee, denn als in den USA ausgebildeter Profiler ist Tom Bachmann derartige Fälle (und nach eigener Aussage noch weitaus schlimmere) gewöhnt und kann derlei Tatorte mit der nötigen emotionalen Distanz betrachten und analysieren. Eigentlich ist der studierte Psychologe und Experte für Serienmorde auch nur in der alten Heimat, um den kürzlich verstorbenen Pflegevater zu beerdigen, doch wo das deutsche BKA gerade schon mal einen ausgewiesenen Fachmann in greifbarer Nähe hat, lässt sich Bachmann ohne großen Widerstand darauf ein, die Leitung der Ermittlungen zu übernehmen – auch weil der "Blutkünstler" zuvor schon in anderen deutschen Städten zugeschlagen hat und immer mehr zu eskalieren scheint.

Die guten Aspekte vorweg: Chris Meyers Roman ist ein durchweg spannender Thriller. Die Kapitel sind kurz und knackig, die Spannung von Beginn an hoch, die Morde bieten einen hohen Schock- und Ekelfaktor (für alle, die darauf Wert legen) und die Geschichte ist mit dem ein oder anderen Nebenstrang durchaus clever inszeniert. Die Charaktere sind zwar nicht unbedingt die größten Sympathieträger, haben aber meist gewisse Ecken und Kanten, die sie nicht uninteressant machen. Wer also einen flotten und eher harten Thriller sucht, bekommt mit "Der Blutkünstler" sicherlich gute Unterhaltung geboten.

Für Viellesende im Thriller-Genre dürfte dies aber nicht ausreichend sein, denn Chris Meyer präsentiert sich bei seinem Werk insgesamt alles andere als originell. Viele dürften sich beim Titel und den zu Kunstfiguren inszenierten Leichen schon an Chris Carters "Totenkünstler" erinnert fühlen und auch darüber hinaus wirkt dieses Buch oft so, als hätte ein Thriller-Fan sein/ihr persönliches Best of aus seinen/ihren Lieblingsbüchern und -filmen genommen und daraus eine "eigene" Geschichte gemacht – allerdings so gut wie komplett ohne eigene Ideen. Bestes Beispiel dafür ist Protagonist Tom Bachmann, der klischeehafter kaum sein könnte: natürlich hat der Profiler seine Ausbildung in den USA gemacht, natürlich hat er mit einem sadistischen Vater eine tragische Vergangenheit, natürlich kann der "Seelenleser" nicht gut mit Menschen umgehen, natürlich hat er selbst gewisse Eigenarten eines Psychopathen an sich und natürlich leidet er unter Schlafstörungen, die auf seine außergewöhnlichen Leistungen aber natürlich keinen Einfluss haben. Selbstverständlich bedienen sich auch andere Autoren gerne dieser Klischees, bei einem derartigen Musterbeispiel eines 08/15-Ermittlers hätte man sich aber wenigstens etwas Charisma gewünscht, statt sich nur wie Tom Bachmann plump durch die Handlung zu provozieren und mit seiner effizienten Schroffheit überall anzuecken. Zumal der angebliche Super-Profiler auch meistens nur mit Psychologie-Weisheiten um sich schmeißt, die jeder routinierte Thriller-Fan spätestens nach einer Staffel "Criminal Minds" im Schlaf herunterbeten kann, und ihm die Auflösung des Falls dann auch noch lediglich durch Zufälle und ohne eigenes Zutun in den Schoß fällt.

Oberflächlich betrachtet liefert "Der Blutkünstler" also solide und kurzweilige Thriller-Unterhaltung, wenn man aber etwas genauer hinter die Fassade guckt findet sich in Chris Meyers Roman jedoch leider viel Altbekanntes und wenige eigenen Impulse. Für ein paar spannende Stunden reicht das zwar, viel mehr als Massenware bekommt man hier aber (noch) nicht geboten.

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